Defekt
mit jeder x-beliebigen
Grafiksoftware nachahmen. Er greift nach einem Brief, der angeblich vom Chef
der Pathologie an der Johns Hopkins University stammt, und wählt die Nummer.
Eine Empfangsdame meldet sich.
„Er ist verreist“, verkündet sie.
„Ich rufe wegen Dr. Joe Arnos an“, sagt Marino.
„Wem?“
Marino erläutert ihr die Situation und bittet sie,
in ihren Unterlagen nachzusehen.
„Er hat Joe Arnos vor einem knappen Jahr, und zwar
am 7. Dezember, ein Empfehlungsschreiben ausgestellt“, erklärt er. „Am unteren
Rand des Briefes heißt es, er sei von einer Person mit den Initialen LFC
getippt worden.“
„Wir haben hier niemanden mit diesen Initialen.
Außerdem ist es meine Aufgabe, derartige Schreiben zu tippen, und meine
Initialen sind das eindeutig nicht. Worum geht es denn?“
„Nur um einen einfachen Fall von Urkundenfälschung“,
entgegnet Marino.
56
Lucy fährt auf einer ihrer getunten V-Rods die A1A
in nördlicher Richtung und sucht Fred Quincys Haus. Natürlich ist jede Ampel
rot.
Fred Quincy wohnt in Hollywood und betreibt sein
Webdesigner-Büro von zu Hause aus. Er erwartet sie nicht, doch sie weiß, dass
er da ist. Zumindest war er das vor einer halben Stunde noch, als sie anrief,
um ihm ein Abonnement des Miami Herald zu
verkaufen. Quincy war höflich, und zwar um einiges höflicher, als Lucy es
wäre, falls ein Telefonverkäufer es wagen sollte, sie zu stören. Er wohnt nur
zwei Häuserblocks westlich vom Strand und hat offenbar Geld. Das hellgrün verputzte
Haus ist zweistöckig und von einem Zaun aus schwarzem Schmiedeeisen umgeben.
Lucy stoppt ihr Motorrad vor der Gegensprechanlage am Tor und läutet.
„Ja, bitte?“, antwortet eine Männerstimme.
„Polizei“, erwidert Lucy.
„Ich habe die Polizei nicht gerufen.“
„Ich möchte mit Ihnen über Ihre Mutter und Ihre
Schwester sprechen.“
„Von welcher Dienststelle sind Sie denn?“ Die Stimme
klingt argwöhnisch.
„Vom Büro des Sheriff von Broward County.“
Lucy zieht ihre Brieftasche heraus und hält die
gefälschte Dienstmarke vor die Linse der Überwachungskamera. Es summt, und das
schmiedeeiserne Tor gleitet auf. Lucys Motorrad holpert über Granitpflaster und
stoppt vor einer großen schwarzen Tür, die sich öffnet, sobald sie den Motor
ausgeschaltet hat.
„Ein tolles Motorrad“, meint der Mann, der
vermutlich Fred ist.
Er ist durchschnittlich groß, schmalschultrig und
zierlich gebaut und hat dunkelblondes Haar und blaugraue Augen. Trotz seiner
Zartheit ein attraktiver Mann.
„Ich glaube, so eine Harley habe ich noch nie
gesehen“, spricht er weiter und geht um das Motorrad herum.
„Fahren Sie auch?“, fragt sie.
„Nein. Solche gefährlichen Abenteuer überlasse ich
lieber anderen Leuten.“
„Sie müssen Fred sein.“ Lucy schüttelt ihm die Hand.
„Darf ich reinkommen?“
Sie folgt ihm durch die mit Marmor geflieste
Vorhalle in ein Wohnzimmer, das auf einen schmalen, brackigen Kanal hinausgeht.
„Was ist denn mit meiner Mutter und mit Helen? Haben
Sie etwas herausgefunden?“
Er klingt, als meine er es ehrlich, und scheint
weder sensationslüstern noch übertrieben misstrauisch zu sein. Schmerz,
Aufregung und ein kleiner Funke Hoffnung mischen sich in seinem Blick.
„Fred“, beginnt Lucy. „Ich bin keine Mitarbeiterin
des Sheriff von Broward County, sondern leite ein Institut, das eine Reihe
privater Ermittler und Wissenschaftler beschäftigt. Man hat uns um Hilfe
gebeten.“
„Also haben Sie sich vorhin am Tor mit fremden
Federn geschmückt“, sagt Fred, und sein Blick wird unfreundlich. „Das war aber
nicht sehr nett von Ihnen. Ich wette, sie waren es auch, die mich angerufen
hat, um mir den Herald aufzuschwatzen. Ich Wirklichkeit wollten Sie nur
rauskriegen, ob ich zu Hause bin.“
„Sie haben in beiden Fällen Recht.“
„Und jetzt erwarten Sie wohl, dass ich mit Ihnen
rede.“
„Es tut mir Leid, aber es war zu kompliziert, um es
an einer Gegensprechanlage zu erklären.“
„Warum ist der Fall ausgerechnet jetzt wieder von
Interesse?“
„Ich fürchte, ich bin diejenige, die hier die Fragen
stellt.“
„Uncle Sam zeigt mit dem Finger auf SIE und sagt:
ICH WILL IHRE ZITRUSBÄUME.“
Dr. Seif hält dramatisch inne. Wie sie so in ihrem
Ledersessel in der Kulisse von Sprechen wir darüber sitzt,
wirkt sie locker und selbstbewusst. In diesem Teil der Sendung hat sie keine
Gäste, und sie braucht auch keine. Auf dem Tisch neben ihrem Sessel steht
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