Defekt
Bier
genehmige?“
„Tun Sie sich keinen Zwang an.“
Er öffnet eine Flasche Michelob, schließt den
Kühlschrank und nimmt wieder Platz.
„Wurde Ihre Schwester je stationär behandelt?“,
erkundigt sich Lucy.
„In derselben Klinik, in der auch Mom war, und zwar
etwa einen Monat lang, nachdem sie aus Harvard zurückgekommen war. Bei mir hieß
der Laden nur Club McLean. Die guten alten Familiengene.“
„McLean
in Massachusetts?“
„Genau. Möchten Sie sich denn keine Notizen machen?
Wie wollen Sie sich das alles sonst merken?“
Lucy dreht den Stift in ihrer Hand. In ihrer Tasche
läuft unsichtbar ein kleiner Recorder.
„Wir brauchen die DNA Ihrer Mutter und Ihrer
Schwester“, sagt sie.
„Keine Ahnung, wie wir die jetzt noch beschaffen
sollen. Außer, die Polizei hat die Sachen aufbewahrt.“
„Mit Ihrer wäre mir auch schon gedient. Schließlich
sind Sie ja blutsverwandt“, erwidert Lucy.
59
Scarpetta blickt aus dem Fenster und betrachtet die
kalte, weiße Straße. Inzwischen ist es fast drei Uhr, und sie hat den Großteil
des Tages am Telefon verbracht.
„Nach welchen Kriterien suchen Sie die Anrufer denn
aus? Schließlich können Sie doch nicht jeden x-Beliebigen auf Sendung lassen“,
fragt sie.
„Natürlich nicht. Einer der Produzenten spricht mit
dem Betreffenden, um sicherzugehen, dass wir es nicht mit einem Spinner zu tun
haben.“
Eine seltsame Wortwahl für eine Psychiaterin.
„In diesem Fall hatte ich bereits selbst mit dem
Mann, einem Gärtnereimitarbeiter, telefoniert. Es ist eine lange Geschichte.“
Dr. Seif spricht schnell.
„Hat er sich gleich zu Anfang mit Hog vorgestellt?“
„Ich habe mir nichts dabei gedacht. Schließlich
haben viele Leute komische Spitznamen. Aber ich muss es wissen. Wurde wirklich
eine alte Dame tot aufgefunden? War es Selbstmord? Sie sind doch sicher darüber
informiert. Der Mann hat nämlich gedroht, mich umzubringen.“
„Ich fürchte, es kommt öfter vor, dass alte Damen
tot aufgefunden werden“, antwortet Scarpetta ausweichend. „Können Sie mir
mehr darüber erzählen? Was genau hat er denn gesagt?“
Dr. Seif berichtet von den verseuchten Zitrusbäumen
im Garten der alten Frau, von ihrer Trauer über den Tod ihres Ehemannes und
ihrer Drohung, sich mit einer Schrotflinte zu erschießen, sollte der
Gärtnereimitarbeiter - Hog - die Vernichtung ihrer Bäume veranlassen. Als
Benton mit zwei Kaffeetassen ins Wohnzimmer kommt, schaltet Scarpetta Dr. Seif
auf Lautsprecher.
„Und dann hat er gedroht, mich umzubringen“,
wiederholt Dr. Seif. „Zumindest hat er gemeint, er habe es eigentlich vorgehabt,
es sich aber anders überlegt.“
„Ich habe hier jemanden, der das hören sollte“,
erwidert Scarpetta und stellt Benton vor. „Könnten Sie ihm das Ganze noch
einmal erzählen?“
Benton nimmt auf dem Sofa Platz, während Dr. Seif
entgegnet, sie verstehe nicht, warum sich ein forensischer Psychologe in
Massachusetts für einen mutmaßlichen Selbstmord in Florida interessiere. Allerdings
könnte er ihr, was die Morddrohung angeht, vielleicht einen wertvollen Rat
geben. Außerdem würde sie sich freuen, wenn er als Gast zu ihr in die Show
käme. Welchen Grund könnte der Anrufer für seine Drohung haben? Schwebe sie
tatsächlich in Gefahr?
„Kontrolliert Ihr Studio die Nummern der
eingegangenen Anrufe?“, fragt Benton. „Werden sie, wenn auch nur vorübergehend,
irgendwo gespeichert?“
„Ich weiß, dass Anrufe mit unbekannter Nummer nicht
angenommen werden. Es ist Voraussetzung, dass die Rufnummer nicht unterdrückt
wird. Ich bin nämlich schon von einer Geisteskranken in der Sendung bedroht
worden, also ist es nicht das erste Mal. Bei dem Anruf damals wurde keine
Nummer angezeigt. Nie wieder.“
„Ich hätte gern einen Ausdruck der Nummern sämtlicher
Anrufe, die während der Show heute Nachmittag eingegangen sind. Was ist mit
Ihrem ersten Gespräch mit diesem Mann? Sie haben erwähnt, Sie hätten mit ihm
telefoniert. Wann war das? Handelte es sich um ein Ortsgespräch? Haben Sie die
Nummer gespeichert?“
„Am späten Dienstagnachmittag. Ich besitze keine
Rufnummernerkennung. Da ich eine Geheimnummer habe, die nicht im Telefonbuch
steht, brauche ich das nicht.“
„Hat der Mann seinen Namen genannt?“
„Er hat sich mit Hog vorgestellt.“
„Und er hat Sie zu Hause angerufen?“
„In meiner Privatpraxis. Ich behandle meine
Patienten in meiner Praxis hinter dem Haus. Eigentlich ist es eher ein
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