Defekt
sollten alle ihre Zitrusbäume sowie die sämtlicher Nachbarn gefällt
werden. Als er der Besitzerin des infizierten Baums das Problem erläutert habe,
hätte sie mit Selbstmord gedroht, falls Hog beim Landwirtschaftsministerium
Meldung machen sollte. Sie hat gesagt, sie werde sich mit dem Schrotgewehr
ihres verstorbenen Mannes umbringen.
Der Mann der alten Frau habe die Bäume kurz nach der
Hochzeit gepflanzt. Inzwischen sei er tot, und die Bäume seien das Einzige, was
sie noch habe. Diese Bäume zu fällen würde also bedeuten, ihr etwas Wichtiges
wegzunehmen, und dazu habe niemand ein Recht.
„Das Fällen dieser Bäume zwingt sie, den Tod ihres
Mannes endlich zu akzeptieren“, erklärt Dr. Seif den Zuschauern. „Doch dann
gäbe es in ihren Augen nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt. Sie möchte
sterben. Das bringt Sie in eine schwierige Lage, richtig, Hog? Es ist, als
spielten Sie Gott“, spricht sie ins Telefon.
„Ich spiele nicht Gott, sondern erfülle Gottes
Willen. Das ist kein Spiel.“
Trotz ihrer Verwirrung fährt Dr. Seif tapfer fort.
„Was für eine schwere Entscheidung für Sie. Halten Sie sich an die Vorschriften
der Behörden, oder folgen Sie der Stimme Ihres Herzens?“
„Ich habe rote Streifen an die Bäume gemalt“,
erwidert er. „Nun ist sie tot. Sie waren eigentlich als Nächste dran. Doch die
Zeit reicht nicht.“
58
Sie sitzen am Küchentisch an einem Fenster, das auf
den schmalen, brackigen Kanal hinausgeht.
„Die Polizei hat damals ein paar Sachen
eingesammelt, aus denen sie hoffte DNA-Spuren sicherstellen zu können“, beginnt
Fred Quincy. „Haarbürste, Zahnbürste, ich weiß nicht mehr, was sonst noch alles
dabei war. Allerdings habe ich nie erfahren, was daraus geworden ist.“
„Vermutlich hat nie eine Analyse stattgefunden“,
sagt Lucy und erinnert sich an das Gespräch, das sie vorhin mit Marino geführt
hat. „Bestimmt liegen die Gegenstände noch in der Asservatenkammer. Wir könnten
nachfragen, aber am besten so schnell wie möglich.“
Bei der ungeheuerlichen Vorstellung, dass sich
jemand ihr Passwort verschafft haben könnte, wird Lucy ganz flau im Magen.
Gewiss hat Marino sich geirrt. Aber der Gedanke will ihr einfach nicht aus dem
Kopf.
„Der Fall steht offenbar nicht oben auf der
Dringlichkeitsliste. Da keine Spuren von Gewalt gefunden wurden, ging man
davon aus, dass sie freiwillig verschwunden sind“, fährt Fred fort. „Man sagte,
es müsse doch wenigstens Hinweise auf einen Kampf oder Zeugen geben. Immerhin
war es Vormittag, und auf der Straße waren Menschen unterwegs. Außerdem fehlte
Moms Geländewagen.“
„Mir hat man erzählt, der Wagen wäre da gewesen. Ein
Audi.“
„Nein, das stimmt nicht. Außerdem hatte nicht sie
den Audi, sondern ich. Anscheinend hat jemand mein Auto gesehen, als ich dort
war, um sie zu suchen. Mom fuhr einen Chevy Blazer, den sie auch für ihre
Transporte brauchte. Leute verwechseln eben öfter etwas. Nachdem ich den ganzen
Tag lang immer wieder vergeblich angerufen hatte, bin ich hingefahren. Die
Handtasche meiner Mutter und das Auto waren weg, und von ihr und meiner
Schwester fehlte jede Spur.“
„War zu erkennen, ob sie den Laden überhaupt
betreten hatten?“
„Sämtliche Lampen und Geräte waren abgeschaltet, und
an der Tür hing das GESCHLOSSEN-Schild.“
„Haben Sie etwas vermisst?“
„Nicht soweit ich feststellen konnte. Zumindest
nicht auf den ersten Blick. Die Geldschublade war leer, doch das hatte nicht
unbedingt etwas zu bedeuten, da sie, wenn überhaupt, über Nacht sowieso nur
kleinere Beträge dort aufbewahrte. Dass Sie jetzt plötzlich Interesse an ihrer
DNA haben, heißt doch sicher, dass etwas passiert ist.“
„Ich gebe Ihnen Bescheid“, erwidert Lucy.
„Möglicherweise haben wir eine heiße Spur.“
„Mehr dürfen Sie mir nicht verraten?“
„Ich verspreche, mich bei Ihnen zu melden. Was war
Ihr erster Gedanke, als Sie zum Laden fuhren, um sie zu suchen?“
„Soll ich ehrlich sein? Ich habe mir gedacht, dass
sie nie in den Laden gewollt und sich stattdessen aus dem Staub gemacht
hatten.“
„Wie kommen Sie darauf?“
„In letzter Zeit hatten sich die Probleme gehäuft.
Finanzielle Engpässe, persönliche Schwierigkeiten. Dad war mit seiner
Gärtnerei ausgesprochen erfolgreich gewesen.“
„In Palm Beach.“
„Dort befand sich die Hauptfiliale. Aber er betrieb
auch Gewächshäuser und Baumschulen an anderen Standorten, einer davon ganz
hier in der
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