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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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würden doch alles für Sie tun.“
    Scarpetta geht nicht auf diese Schmeichelei ein.
    „Fragen Sie, ob einer von ihnen heute Nachmittag bei
der Horror-Szene aushelfen will. Aber Sie dürfen den anderen keine
Einzelheiten verraten.“
    „Und was sind das genau für Einzelheiten?“
    „Ich dachte dabei an Jenny. Ob Sie ihr den Kurs um
drei vielleicht erlassen könnten, damit sie mir zur Hand geht?“ Damit meint er
die hübsche Teilnehmerin, die wissen wollte, ob der Mann mit dem
aufgeschlitzten Bauch sein Fall war.
    Scarpetta hat die beiden schon öfter zusammen
beobachtet. Joe ist zwar verlobt, doch das hindert ihn nicht daran, enge freundschaftliche
Beziehungen mit attraktiven Lehrgangsteilnehmerinnen zu pflegen, auch wenn das
an der Akademie gar nicht gern gesehen wird. Bis jetzt ist er zwar noch nicht
bei einem Verstoß gegen Sitte und Moral ertappt worden, aber Scarpetta wünscht
sich fast, jemand würde ihn einmal in flagranti erwischen. Sie möchte ihn
nämlich gern loswerden.
    „Sie soll die Täterin spielen“, erklärt Joe
aufgeregt. „Denn sie sieht so reizend und unschuldig aus. Wir stellen jeweils
zwei Teilnehmer zu einem Paar zusammen und lassen sie als Partner in einem
Mordfall ermitteln, bei dem mehrfach auf das Opfer geschossen wurde, während es
sich gerade in der Toilette aufhielt. Die Tat ereignete sich in einem
Motelzimmer. Da kommt Jenny herein, völlig aufgelöst und unter Tränen. Sie ist
die Tochter des Toten. Dann werden wir sehen, ob sich einer der Teilnehmer von
ihr um den Finger wickeln lässt.“
    Scarpetta schweigt.
    „Natürlich werden ein paar Polizisten am Tatort
sein. Sagen wir mal, sie schauen sich um und nehmen an, dass der Täter flüchtig
ist. Wir wollen sehen, ob jemand genug Geistesgegenwart besitzt, um sich zu
vergewissern, dass dieses hübsche junge Ding nicht die Person ist, die das
Opfer, ihren Vater, umgenietet hat, während der gerade seine Notdurft
verrichtete. Und wissen Sie was? Sie war es! Doch die Polizisten werden
unachtsam, sie zieht die Waffe, fängt an rumzuballern und wird erschossen. Und
voilá - ein klassischer Selbstmord mit Hilfe der Polizei.“
    „Sie können Jenny nach dem Kurs selbst fragen“,
erwidert Scarpetta, während sie überlegt, warum ihr das Szenario so vertraut
erscheint.
    Joe ist versessen auf Horror-Szenen, die eigentlich
eine Erfindung von Marino sind. Dabei werden an Tatorten mögliche
Extremsituationen nachgespielt, die die Risiken und Gefahren eines Verbrechens
in der Realität widerspiegeln sollen. Am liebsten würde Scarpetta Joe manchmal
empfehlen, die forensische Pathologie an den Nagel zu hängen und seine Seele
an Hollywood zu verkaufen. Sofern er eine Seele hat. Jedenfalls kommt ihr der
Handlungsablauf bekannt vor.
    „Gut, was?“, meint Joe. „Das könnte in der
Wirklichkeit auch passieren.“
    Da fällt es ihr wieder ein: Es ist nämlich
tatsächlich so passiert.
    „Wir hatten einen ähnlichen Fall in Virginia“,
erwidert sie. „Als ich dort Chefpathologin war.“
    „Wirklich?“, gibt er erstaunt zurück. „Offenbar
wiederholt sich alles im Leben.“
    „Übrigens,
Joe“, fährt Scarpetta fort. „Bei
Seppuku oder Harakiri stirbt man meistens an Herzstillstand als Folge eines
plötzlichen Kollapses, der durch das unmittelbare Absinken des Drucks im
Bauchraum nach dem Aufschlitzen entsteht. Nicht an Verbluten.“
    „Ihr Fall? Ich meine den da drinnen.“ Er weist auf
den Unterrichtsraum.
    „Marinos und meiner. Vor vielen Jahren. Und noch
etwas“, fügt sie hinzu. „Es war Selbstmord, kein Mord.“
     
    12
     
    Die Citation X fliegt fast mit Schallgeschwindigkeit
nach Süden, während Lucy Dateien aus einem virtuellen Privatnetzwerk
herunterlädt; dieses ist so gut durch Firewalls abgesichert, dass sich nicht
einmal das Amt für Heimatschutz Zugang verschaffen könnte.
    Zumindest ist Lucy überzeugt davon, dass ihre
Informations-Infrastruktur lückenlos gegen Eindringlinge abgeschirmt ist, und
glaubt, dass kein Hacker, auch nicht die Regierung, die Übertragung der
geheimen Daten überwachen könnte, die das „Heterogenous Image Transaction“ -
ein Datenbank-System, abgekürzt HIT - hervorbringt. Lucy hat HIT selbst
entwickelt und programmiert; die Regierung weiß nichts von seiner Existenz, da
ist sie ganz sicher. Auch die meisten übrigen Menschen ahnen nichts davon. HIT
ist Privatbesitz, und Lucy könnte die Software mühelos verkaufen. Aber sie
braucht das Geld nicht, weil sie schon vor Jahren mit

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