Defekt
können.
„Toll. Mailen die Leute Ihnen einfach ihre
Fallakten?“
„Manchmal“, erwidert er, klickt auf ein anderes
Foto, und der Farbdrucker hinter seinem Schreibtisch erwacht zum Leben. „Was
wir hier tun, ist geheim“, sagt er dann. „Kann ich Ihnen vertrauen?“
„Aber natürlich, Dr. Arnos. Ich weiß, was geheim
bedeutet. Ansonsten hätte ich mich für den falschen Beruf entschieden.“
Ein Farbfoto des toten Mädchens in einer Blutlache
gleitet aus dem Drucker. Joe dreht sich um, greift danach, wirft einen Blick
darauf und reicht es Jenny.
„Das wird heute Nachmittag Ihre Rolle sein“, sagt
er.
„Hoffentlich nicht wortwörtlich“, gibt sie
scherzhaft zurück.
„Und das ist Ihre Waffe.“ Er betrachtet die Glock,
die vor ihr auf dem Schreibtisch liegt. „Wo möchten Sie sie verstecken?“
Ungerührt mustert sie das Foto. „Wo hatte sie sie
denn versteckt?“, erkundigt sie sich.
„Das kann man auf dem Foto nicht sehen“, entgegnet
er. „In ihrer Handtasche, was die Beamten eigentlich hätte stutzig machen
müssen. Sie findet angeblich ihren Vater tot auf, alarmiert die Polizei, öffnet
den Kollegen die Tür - und hat ihre Handtasche in der Hand. Das Mädchen ist
völlig außer sich und hatte das Haus gar nicht verlassen. Was also will sie mit
einer Handtasche?“
„Und ich soll es auch so machen.“
„Die Pistole kommt in Ihre Handtasche. Irgendwann
kramen Sie nach Taschentüchern, weil Sie sich die Augen ausheulen. Und dann
zücken Sie die Waffe und fangen an zu schießen.“
„Sonst noch etwas?“
„Sie werden erschossen. Versuchen Sie, hübsch dabei
auszusehen.“
Sie lächelt. „Und weiter?“
„Ihre Kleidung.“ Er sieht sie an und versucht, ihr
durch Blicke mitzuteilen, was er will. Sie versteht.
„Solche Sachen habe ich nicht“, erwidert sie und
spielt dabei die Naive.
Aber sie ist ganz eindeutig keine Unschuld vom Lande
und vögelt vermutlich schon seit dem Kindergarten.
„Okay, Jenny, Shorts, T-Shirt und barfuß müssten Sie
eigentlich hinkriegen.“
„Sieht aus, als hätte sie keine Unterwäsche an.“
„Dann also ohne.“
„Sie wirkt wie eine Schlampe.“
„Gut, dann müssen Sie eben die Schlampe spielen“,
antwortet er.
Jenny findet das alles sehr lustig.
„Ich meine, Sie sind doch eine Schlampe, oder?“,
fragt er und mustert sie mit kleinen dunklen Augen. „Wenn Sie nicht wollen,
frage ich jemand anderen. In dieser Horror-Szene wird eine Schlampe gebraucht.“
„Sie müssen niemand anderen fragen.“
„Ach, wirklich?“
„Wirklich.“
Sie dreht sich um und wirft einen Blick auf die
geschlossene Tür, als befürchte sie, dass jemand hereinkommen könnte. Er
schweigt.
„Wir könnten Schwierigkeiten kriegen“, meint sie.
„Werden wir schon nicht.“
„Ich möchte nicht, dass Sie Ihren Job verlieren“,
sagt sie. „Sie wollen doch Ermittlerin werden, wenn Sie mal erwachsen sind.“
Sie nickt, sieht ihn an und spielt lässig am
obersten Knopf ihres Polohemdes mit dem Emblem der Akademie herum. Es steht
ihr, und ihm gefällt, wie sie es genau an den richtigen Stellen ausfüllt.
„Ich bin erwachsen“, sagt sie.
„Sie sind aus Texas“, stellt er fest und mustert
ihre Rundungen, die sich unter dem Polohemd und der eng anliegenden khakifarbenen
Cargohose abzeichnen. „In Texas ist alles ziemlich groß, richtig?“
„Sollte das etwa eine anzügliche Bemerkung sein, Dr.
Arnos?“, gibt sie in gedehntem Südstaatenakzent zurück.
Er stellt sie sich tot vor und malt sich aus, wie
sie erschossen und in einer Blutlache auf dem Boden liegt. Oder nackt auf einem
Stahltisch. Einer der großen Irrtümer des Lebens lautet, dass tote Körper nicht
erotisch sind. Nackt ist nackt, solange die betreffende Person gut aussieht und
noch nicht lange tot ist. Wenn ein Mann behauptet, er habe noch nie an eine
schöne Frau gedacht, die zufällig tot war, lügt er. Schließlich hängen sich
Polizisten Fotos von besonders attraktiven weiblichen Opfern an die Pinnwand.
Männliche Gerichtsmediziner halten Vorträge vor Polizisten und zeigen ihnen
gewisse Bilder, wobei sie mit Absicht die auswählen, die ihnen besonders
ansprechend erscheinen. Joe hat es selbst gesehen. Er weiß, wie Männer ticken.
„Wenn Sie sich in der Horror-Szene eindrucksvoll
umlegen lassen“, sagt er zu Jenny, „koche ich Ihnen ein Abendessen. Ich bin
Weinkenner.“
„Außerdem sind Sie verlobt.“
„Sie ist auf einer Tagung in Chicago. Vielleicht
schneit sie ja
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