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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ein.“
    Jenny steht auf. Nach einem Blick auf die Uhr sieht
sie ihn an. „Wer war vor mir Ihre Lieblingsschülerin?“, fragt sie. „Sie sind
etwas ganz Besonderes.“
     
    13
     
    Als es nur noch eine Stunde bis zum Flugplatz
Signature Aviation in Fort Lauderdale ist, steht Lucy auf, um sich einen
Kaffee zu holen und zur Toilette zu gehen. Der Himmel draußen vor den kleinen
ovalen Fenstern des Jet ist bewölkt, und Gewitterwolken ballen sich zusammen.
    Später lehnt sie sich in ihrem mit Leder bezogenen
Sitz zurück und richtet weitere Anfragen an die Finanzbehörde von Broward
County, das Grundbuchamt, verschiedene Zeitungsredaktionen und alle anderen
Quellen, die ihr vielleicht Aufschluss über den ehemaligen Weihnachtsladen
geben können. Zwischen Mitte der Siebziger und Anfang der Neunziger war in den
Räumlichkeiten ein Imbiss namens Rum Runner's untergebracht. In den zwei
folgenden Jahren wurde dort eine Eisdiele mit dem Namen Coco Nuts betrieben.
Dann, im Jahr 2000, vermieteten die Besitzer das Gebäude an eine gewisse Mrs.
Florrie Anna Quincy, Witwe eines wohlhabenden Landschaftsgärtners aus West Palm
Beach.
    Lucys Finger ruhen leicht auf der Tastatur, als sie
einen Artikel überfliegt, der kurz nach der Eröffnung des Christmas Shop im Miami Herald erschienen ist. Darin steht, Mrs. Quincy sei in Chicago
aufgewachsen, und zwar als Tochter eines Maklers für Warentermingeschäfte, der
jedes Jahr zu Weihnachten im Kaufhaus Macy's den Weihnachtsmann gespielt hat.
    „Die Weihnachtszeit waren die zauberhaftesten Tage
unseres Lebens“, sagte Mrs. Quincy. „Mein Vater betrieb hauptsächlich
Warentermingeschäfte mit Holz, und vielleicht liegt es daran, dass er aus dem
Holzwirtschaftsgebiet Alberta in Kanada stammte, dass wir das ganze Jahr über
Christbäume im Haus hatten. Es waren große Föhren in Blumentöpfen, die mit
weißen Birnchen und kleinen geschnitzten Figuren geschmückt waren.
Wahrscheinlich ist das der Grund, warum ich am liebsten das ganze Jahr über
Weihnachten hätte.“
    Mrs. Quincys Laden bietet eine erstaunliche Mischung
aus Dekorationsgegenständen, Spieluhren, Weinachtsmännern in allen Formen und
Größen, Miniatur-Winterlandschaften und elektrischen Eisenbahnen an, die auf
kleinen Schienen fahren. Man muss aufpassen, wenn man die Gänge zwischen diesen
zerbrechlichen Kleinodien in diesem Märchenland entlangschlendert. Und man
vergisst leicht, dass es draußen vor der Tür Sonnenschein, Palmen und das Meer
gibt. Mrs. Quincy erzählt, dass seit der Eröffnung des Weihnachtsladens vor
einer Woche ziemlich viele Kunden gekommen sind, allerdings wollen die meisten
sich nur umsehen, anstatt etwas zu kaufen ...
     
    Lucy trinkt ihren Kaffee und beäugt den Bagel mit
Streichkäse auf dem Holzbrettchen. Sie hat Hunger, wagt aber nicht, etwas zu
essen. Ständig denkt sie ans Essen und grübelt über ihr Gewicht nach, obwohl
sie weiß, dass jede Diät nutzlos wäre. Ganz gleich, wie verbissen sie auch
hungert, es wird sich dadurch nichts an ihrem Aussehen und ihrem Körpergefühl
ändern. Früher war ihr Körper eine bis ins letzte Detail feinjustierte
Maschine; nun hat er sie im Stich gelassen.
    Sie startet eine weitere Anfrage. Dann greift sie zu
dem in die Armlehne eingebauten Telefon und versucht, Marino anzurufen, während
sie die Ergebnisse ihrer Suchaktion auf dem Bildschirm überfliegt. Er meldet
sich zwar, aber der Empfang ist schlecht.
    „Ich sitze im Flugzeug“, meint sie zu ihm und liest
etwas auf ihrem Bildschirm.
    „Wann wirst du lernen, das Ding selbst zu fliegen?“
    „Wahrscheinlich nie. Ich habe einfach nicht die
Zeit, all diese vorgeschriebenen Kurse zu machen. Inzwischen komme ich ja kaum
noch dazu, den Helikopter zu benutzen.“
    Lucy will die Zeit nicht aufbringen. Denn je mehr
sie fliegt, desto stärker findet sie Gefallen daran, und das will sie sich
abgewöhnen. Wer etwas Stärkeres einnimmt als harmlose frei verkäufliche
Medikamente aus dem Drugstore, muss das bei der Flugaufsichtsbehörde melden.
Und wenn sie das nächste Mal zum Flugarzt geht, um ihre Lizenz erneuern zu
lassen, wird sie das Dostinex erwähnen müssen. Dann wird man ihr Fragen
stellen. Bürokraten werden in ihrem Privatleben herumstochern und vermutlich
einen Vorwand finden, um ihr die Fluglizenz zu entziehen. Der einzige Ausweg
ist, das Medikament abzusetzen, und sie versucht schon seit einer Weile, ohne
es klarzukommen. Oder sie kann die Fliegerei ganz an den Nagel hängen.
    „Ich bleibe

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