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Defekt

Defekt

Titel: Defekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nein. Was ist denn passiert. Schlechtes Wetter?“
    „Irgendwie wurde meine Reservierung storniert. Die
Maschine ist überbucht. Rose, haben Sie heute angerufen, um sich den Flug
bestätigen zu lassen?“
    „Aber natürlich. So gegen Mittag.“
    „Ich weiß nicht, was da schiefgelaufen sein kann“,
sagt Scarpetta und denkt an Benton und ihren gemeinsamen Valentinstag.
„Scheiße!“, flucht sie.
     
    14
     
    Der gelbe Mond ist missgebildet wie eine überreife
Mango und hängt tief über struppigen Bäumen und Unkraut, die dunkle Schatten
werfen. Doch trotz des fahlen Mondlichts kann Hog gut genug sehen, um das Ding
zu erkennen.
    Er beobachtet, wie es sich nähert, denn er weiß, wo
er hinschauen muss. Seit einigen Minuten schon fängt er die Infrarotstrahlung
mit dem Nachtsichtgerät Heat Stalker auf und sucht in einer langsamen
horizontalen Bewegung die Dunkelheit ab wie mit einem Zauberstab. Eine Linie
leuchtend roter Markierpunkte verläuft über die hintere LED-Anzeige des
handlichen olivgrünen PVC-Rohrs, das in der Lage ist, den Temperaturunterschied
zwischen dem warmblütigen Ding und der Erdoberfläche zu erkennen.
    Er ist Hog, und er kann seinen Körper nach Belieben
verlassen, sodass niemand ihn sieht. Unsichtbar steht er mitten in der
menschenleeren Nacht und hält den Heat Stalker wie eine Wasserwaage. Das Gerät
fängt die von einem lebendigen Körper abgestrahlte Wärme auf und weist Hog mit
kleinen hellroten Punkten, die über das dunkle Glas zucken, auf seine Position
hin.
    Vermutlich ist es ein Waschbär.
    Blödes Ding, sagt Hog lautlos. Er sitzt im
Schneidersitz auf dem sandigen Boden und tastet mit dem Gerät die Umgebung ab.
Erst betrachtet er die hellroten Punkte, die sich über die Linse am hinteren
Ende des Rohrs bewegen, richtet das vordere Ende dann auf das Ding und lässt
das Rohr schließlich die düstere Böschung entlanggleiten. Er spürt das
verfallene alte Haus im Rücken, das ihn anzieht. Sein Kopf fühlt sich wegen der
Ohrstöpsel schwer an, sein Atem geht laut, als ob er durch einen Schnorchel
Luft holt, unter Wasser, wo es ganz still ist, sodass man nichts wahrnimmt als
das Geräusch der eigenen flachen Atemzüge. Er mag Ohrstöpsel zwar nicht, aber
es ist wichtig, sie zu tragen.
    Du weißt, was jetzt geschieht?, sagt er lautlos zu dem Ding. Ich wette, du weißt es nicht.
    Er beobachtet, wie die dunkle, gedrungene Gestalt
geduckt weiterschleicht. Sie bewegt sich wie eine dicke, pelzige Katze.
Vielleicht ist es ja eine. Langsam pirscht sie sich durch das scharfkantige
Bermuda-, Torpedo- und Riedgras, huscht durch die Schatten unter den mageren
Pinien und läuft raschelnd über totes Laub und Reisig. Hog beobachtet das Ding
und die roten Punkte, die über die Linse gleiten. Das Ding ist dumm. Der Wind
weht aus der falschen Richtung, weshalb es seinen Geruch nicht auffangen und
reagieren kann.
    Hog schaltet den Heat Stalker ab und legt ihn auf
seinen Schoß. Dann greift er nach seiner Mossberg-Pumpgun in Tarnfarbe, deren
Kolben hart und kühl seinen Kiefer berührt, und richtet das Ghost-Ring-Visier
aus Tritium auf das Ding.
    Wo willst du denn hin?, spottet er.
    Das Ding rennt nicht weg. Dummes Ding.
    Los. Lauf schon. Schau, was
passiert.
    In aller Seelenruhe und geduckt schleicht es weiter.
    Er spürt das langsame und kräftige Schlagen seines
eigenen Herzens und hört seine schnellen Atemzüge, als er mit dem leuchtend
grünen Strich dem Ding folgt und abdrückt. Der Schuss peitscht durch die stille
Nacht. Das Ding zuckt und bleibt reglos im Staub liegen. Er nimmt die
Ohrstöpsel heraus und lauscht auf einen Schrei oder ein Stöhnen, hört aber
nichts, nur aus der Ferne den Verkehrslärm von der South 27 und das Knirschen
seiner eigenen Schritte, als er aufsteht, um sich die verkrampften Beine zu
vertreten. Er nimmt die Patronenhülse heraus, steckt sie ein und watet durch
das Gestrüpp an der Böschung. Als er das Bedienungspad am Schlitten des Schrotgewehrs
berührt, bescheint die Zielfernrohrbeleuchtung das Ding.
    Es ist eine Katze mit dichtem Fell und dickem Bauch.
Er dreht sie herum. Sie ist trächtig, und Hog überlegt, ob er noch einmal
abdrücken soll, während er lauscht. Nichts ist zu hören, keine Bewegung, kein
Geräusch, kein Lebenszeichen. Das Ding wollte sicher zu der Ruine, um dort
nach Nahrung zu suchen. Er nimmt an, dass es etwas Essbares gewittert hat. Und
wenn ein Tier im Haus Lebensmittel vermutet, könnten auch andere den Verdacht
schöpfen, dass vor kurzem

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