Defekt
Er hat die Zeitschriften alle gelesen, weil er immer zu früh zu seinen
Terminen kommt. Das stört ihn ebenfalls. Viel lieber würde er sich verspäten
und hereinschlendern, als hätte er Besseres zu tun, als einen Termin bei einer
Psychologin einzuhalten. Aber in diesem Fall würden ihm die Minuten abgezogen,
und er kann es sich nicht leisten, auch nur eine Minute zu verlieren, denn jede
davon zählt und ist sehr teuer.
Sechs Dollar die Minute, um genau zu sein. Fünfzig
Minuten und keine Minute länger. Keine Sekunde. Sie wird ihm nicht aus lauter
Großzügigkeit und Nächstenliebe oder aus einem anderen Grund ein oder zwei
Minuten schenken. Selbst wenn er mit Selbstmord drohen würde, würde sie nur auf
die Uhr schauen und sagen: Wir müssen jetzt zum Schluss kommen. Er könnte ihr erzählen, dass er jemanden umgebracht hat,
und mitten in seiner Schilderung, als er gerade im Begriff ist abzudrücken,
würde sie ihn unterbrechen: Wir müssen jetzt zum Schluss kommen.
Sind Sie denn nicht neugierig?, hat er sie einmal gefragt. Wie können Sie ausgerechnet jetzt
aufhören, ohne sich die Pointe anzuhören?
Den Rest der Geschichte werden
Sie mir sicher hei unserem nächsten Termin verraten, Pete. Dabei lächelt sie immer.
Vielleicht lasse ich es ja auch.
Sie haben Glück, dass ich überhaupt mit Ihnen rede. Viele Leute würden Geld
dafür bezahlen, die ganze Geschichte zu erfahren. Die ganze Wahrheit.
Nächstes Mal.
Vergessen Sie es. Es wird kein
nächstes Mal geben.
Dr. Seif lässt sich auf keine Diskussion ein, wenn
es Zeit zum Aufhören ist. Ganz gleich, was er auch tut, um noch ein oder zwei
Minuten herauszuschlagen, steht sie auf, öffnet die Tür und wartet ab, bis er
gegangen ist, damit sie hinter ihm abschließen kann. Sie weigert sich zu
verhandeln. Sechs Dollar pro Minute, und wofür? Damit sie ihn beleidigen kann?
Er weiß nicht, warum er immer wieder kommt.
Er betrachtet den kleinen nierenförmigen Pool mit
dem Rand aus bunten spanischen Kacheln. Dann mustert er die Orangen- und
Grapefruitbäume, die sich unter der Last ihrer Früchte biegen, und die roten
aufgesprühten Streifen an den Stämmen.
Zwölfhundert Dollar im Monat. Warum tut er das? Für
dieses Geld könnte er sich einen Dodge-Pick-up mit einer V-10-Viper-Maschine
kaufen. Für zwölfhundert Dollar monatlich könnte er sich eine ganze Menge
leisten.
Marino hört ihre Stimme hinter der geschlossenen
Tür. Dr. Seif telefoniert. Er tut so, als blättere er in einer Zeitschrift, und
lauscht.
„Verzeihung, wer spricht da?“, fragt Dr. Seif.
Sie hat eine kräftige Stimme, eine Radiostimme, die
weit trägt und Autorität ausstrahlt wie eine Pistole oder eine Polizeimarke.
Ihre Stimme berührt ihn. Er mag ihre Stimme, und sie löst etwas in ihm aus.
Außerdem sieht sie wirklich sehr gut aus, weshalb es ihm schwerfällt, ihr
gegenüberzusitzen und sich andere Männer in diesem Sessel vorzustellen, denen
sich genau derselbe Anblick bietet. Sie hat dunkles Haar, zarte Gesichtszüge,
strahlende Augen und makellos weiße Zähne. Er mag es gar nicht, dass sie jetzt
im Fernsehen auftritt, wo andere Männer sie anstarren und bemerken können, wie
sexy sie ist.
„Wer spricht da, und woher haben Sie meine Nummer?“,
hört er ihre Stimme durch die abgeschlossene Tür. „Nein, ist sie nicht, und
außerdem nimmt sie solche Anrufe nicht persönlich entgegen. Wer sind Sie?“
Marino lauscht zunehmend nervös und gerät ins
Schwitzen, als er vor Dr. Selfs geschlossener Tür im Wintergarten steht.
Jetzt, am frühen Abend, ist die Luft feucht, Wasser
rieselt von den Bäumen, und Tropfen fangen sich im Gras. Dr. Seif klingt nicht
sehr erfreut. Offenbar telefoniert sie mit jemandem, der seinen Namen nicht
sagen will.
„Ich verstehe Ihr Bedürfnis nach Diskretion, aber es
muss Ihnen doch klar sein, dass ich den Wahrheitsgehalt Ihrer Behauptung nicht
nachprüfen kann, solange Sie mir nicht verraten, wer Sie sind. Dr. Seif kann
sich mit derartigen Dingen nur befassen, wenn sie zuvor bestätigt wurden. Aber
das ist ein Spitzname, kein echter. Oh, ist es doch. Ich verstehe.“
Marino wird klar, dass sie sich für jemand anderen
ausgibt. Offenbar bereitet es ihr Unbehagen, dass sie den Anrufer nicht kennt.
„Also gut“, sagt die Frau, die Dr. Seif gerade
spielt. „Das wäre möglich. Natürlich können Sie mit dem Produzenten sprechen.
Ich muss zugeben, dass es sich interessant anhört, falls es stimmt. Aber Sie
müssen sich dennoch an den Produzenten
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