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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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verwunderlich, denn es gab nur fünf Tische in dem kleinen Raum. Als er durch die Tür trat, blickten alle anwesenden Gäste auf ihn. Er fühlte sich unwohl, blickte zunächst verlegen zu Boden. Dann aber hob er seinen Blick und ging durch den Gast-raum zum hintersten Tisch.
    »Darf ich mich vielleicht zu Ihnen setzen?«
    Ein erstauntes Nicken war die Antwort. Der Wirt brachte die Karte, er bestellte Rouladen mit grünen Bohnen und Kartoffeln, dazu ein Bier. Die Gespräche an den anderen Tischen wurden langsam wieder aufgenommen, der Geräuschpegel in der Gaststube stieg. Niemand schien ihn zu erkennen. Unauffällig blickte er von Tisch zu Tisch. Aber ihm war niemand bekannt.
    Der Wirt brachte das Bier, freundlich prostete Tom in die Runde, doch an seinem Tisch blieb es verhältnismäßig ruhig. Da er von seinen Tischnachbarn kein Entgegenkommen erwartete, machte er selbst den ersten Schritt.
    »Und, schönen Sonntag gehabt?«, fragte er den schlanken, dunkelhaarigen Mann, der ihm gegenübersaß.
    Der nickte. So waren sie halt hier oben, stockig gegenüber Fremden.
    Sein Essen wurde serviert und schon nach dem ersten Bissen lobte er überschwänglich die gute Küche. Aber auch das brachte das Eis an seinem Tisch nicht zum Schmelzen. Dann musste er eben zu anderen Mitteln greifen. Er winkte dem Wirt zu.
    »Eine Runde Klaren für die Jungs an meinem Tisch!«
    Ein Raunen ging durch den Raum. Als der Wirt mit dem Tablett, auf dem neun Schnapsgläser standen, zum Tisch kam und jeder der Männer sich eines genommen hatte, hob er sein Glas.
    »Auf die nordfriesische Gastfreundschaft!«
    Die Männer prosteten ihm begeistert zu. Hatte er sich doch gedacht, dass er sie damit weich kriegen würde. Schon reichte der schlanke Mann von Gegenüber seine Hand über den Tisch und sagte: »Ich bin Haie Ketelsen.«
    Da er heute schon einmal erlebt hatte, dass es manchmal besser war, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sagte er nur: »Angenehm, ich bin Tom.«
    Er log ja nicht, beruhigte er sein aufkeimendes schlechtes Gewissen, er verschwieg nur einen Teil. Das war schließlich etwas anderes. Wenn er jetzt erzählen würde, dass Hannes sein Onkel war, würde wieder niemand mit ihm sprechen. Und so erzählte Tom Haie einfach, dass er momentan zu Besuch sei und überlege, sich hier niederzulassen.
    Auch das war nicht gelogen. Schließlich hatte er in einem Anflug von Sentimentalität ja tatsächlich kurz darüber nachgedacht, das Haus von Onkel Hannes zu behalten und hierher zu ziehen.
    Haie nickte freundlich und bestätigte ihm, um was für ein feines Dorf es sich hier handele und wie gut man hier wohnen könne. Nach dem zweiten Bier und dem dritten Schnaps versuchte Tom das Gespräch auf die anderen Dorfbewohner zu lenken.
    »Aber in so einem Dorf gibt es ja nicht immer nur Sonnenschein, oder?«
    »Ach wat«, winkte Haie Ketelsen ab. »Aber wer spricht schon gerne von dunklen Flecken der Vergangenheit?«
    »Niemand«, pflichtete Tom ihm bei und bestellte noch ein Bier und einen Klaren. Ihm war schon leicht schwindlig und er musste höllisch aufpassen, sich nicht zu verraten. Der Wirt brachte das Bier und sie stießen an.
    Sein Gesprächspartner nahm einen kräftigen Schluck, das Glas war halb leer. Tom nippte nur.
    »Tja, aber was soll’s?«, sagte Haie mit gelöster Zunge. »Was passiert ist, ist nun mal passiert. Die Zeit kann man nicht zurückdrehen.«
    Tom verhielt sich ganz ruhig und Haie sprach unaufgefordert weiter.
    »Siehst du dahinten den Blonden in der Cordweste?«
    Tom nickte.
    »Dem seine Tochter ist damals spurlos verschwunden. Wahrscheinlich Mord. Hannes Friedrichsen hatten sie auf’m Kieker. Aber ich sag dir, der war’s nicht.«
    Toms Herz setzte einen Schlag aus. Er rutschte noch ein Stück näher.
    »Der Hannes war viel zu gutmütig. Der hätt der Britta nicht mal ein Haar gekrümmt. Dem Lorentz hätt ich’s zugetraut. Der war damals schon komisch.«
    Haie wedelte mit seiner Hand wild vor dem Gesicht herum.
    »Der Lorentz, der war ja auch so merkwürdig still. Nur wenn’s darum ging, Hannes schlecht zu machen, ja dann, dann konnte er den Mund weit aufreißen.«
    Haies Stimme wurde immer lauter. Tom hatte das Gefühl, dass einige Männer von den anderen Tischen zu ihnen herschauten und sah sich in der Zwickmühle. Auf der einen Seite wollte er mehr von damals erfahren, auf der anderen Seite wollte er auf keinen Fall auffallen. Schnell hob er die Hand, deutete dem Wirt an, dass er zahlen wollte. Langsam

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