Deichgrab
kam dieser an ihren Tisch getrabt und präsentierte ihm eine Rechnung, die es in sich hatte. Er schluckte zweimal und zahlte, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Beim Aufstehen zerrte er den Mann neben sich am Arm mit hoch. »So, Zeit nach Hause zu gehen.«
Haie guckte ihn verwundert an, ließ sich aber ohne Widerspruch aus der Gaststube ziehen. Draußen atmete Tom tief durch. Er spürte den Alkohol.
»In welche Richtung musst du denn?«
Der Mann deutete in die entgegengesetzte Richtung.
»Das ist auch mein Weg«, log Tom und hakte sich ein. Haie schwankte und setzte sich nur langsam in Bewegung. Zum Glück war es nicht besonders weit. Nur wenige hundert Meter hinter dem Sparladen blieb er stehen und deutete mit seinem Arm auf ein etwas zurückliegendes Haus.
»Da sind wir!«
Nachdem sie sich eine ›Gute Nacht‹ gewünscht hatten, wankte Haie zum Haus hinauf. Im schummrigen Licht einer Lampe, die über der Haustür brannte, sah Tom, wie es ihm erst nach einigen Versuchen gelang, die Haustür aufzuschließen. Er drehte sich um und ging in die entgegengesetzte Richtung nach Hause.
8
Als er am Morgen aufwachte, dröhnte sein Kopf. Er hatte Durst. Umständlich rappelte er sich auf, blieb einen Augenblick auf der Bettkante sitzen. Das Zimmer drehte sich. Ein kleiner Mann schien in seinem Kopf ein Trommelsolo hinzulegen.
Unten im Badezimmer öffnete er den kleinen Arzneischrank. Gelenksalbe, Nasenspray, Glaubersalz. ›Nanu‹, überlegte Tom überrascht, ›hat Onkel Hannes etwa unter Verstopfung gelitten?‹
Er hatte beinahe alle Schachteln in der Hand gehabt, aber ein Kopfschmerzmittel war nicht dabei. ›Ungewöhnlich, jeder hat doch hin und wieder mal Kopfschmerzen.‹
Die allerletzte Schachtel enthielt laut Aufschrift ›Tropfen gegen Kreislaufbeschwerden‹. Tom erschrak, als er das Haltbarkeitsdatum sah. Die Tropfen waren seit über fünfzehn Jahren abgelaufen. Angewidert warf er die Packung in den kleinen Mülleimer unter dem Waschbecken. Es schepperte, so als ob sich Metall in der Packung befände. Er nahm die Packung wieder aus dem Mülleimer. Etwas Schweres rutschte darin hin und her. Die Faltöffnung war mit Tesafilm zugeklebt. Tom riss sie auf. Durch den Schwung rutschte ein silberner Schlüssel aus der Öffnung und fiel zu Boden. Es war kein gewöhnlicher Schlüssel, nicht vergleichbar mit einem Auto- oder Haustürschlüssel. Dann fiel es ihm ein. Ein Schließfachschlüssel. Genau. Der Schlüssel sah jenem Schlüssel ähnlich, den er zu seinem Bankfach besaß. Aber wieso sollte Onkel Hannes ein Schließfach gemietet haben?
Er legte den Schlüssel zum Sparbuch auf die Kommode.
Als er nach dem Frühstück aus der Haustür trat, war der Himmel leicht bedeckt. Er fuhr die Dorfstraße hinunter bis zur Raiffeisenbank.
Es waren nur wenige Leute anwesend. Lediglich einige Kunden standen an der Kasse. Das Licht war schummrig, die Neonröhren an der Decke teilweise defekt. Schließlich entdeckte er die kleinen Hinweisschilder über den verschiedenen Schreibtischen:
›Bauen und Wohnen‹, ›Sparen‹, ›Kreditfinanzierungen‹. Tom trat an den Schalter mit der Aufschrift ›Sparen‹.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte die zuständige Dame und sah ihn ungeduldig durch eine auffällige, rote Hornbrille an.
»Ich komme in einer Nachlass-Angelegenheit.«
»Dafür bin ich nicht zuständig.«
Sie verwies ihn an einen Herrn Simons schräg gegenüber.
»Mein Name ist Tom Meissner. Ich komme wegen des Nachlasses meines Onkels.«
Er schob das blaue Sparbuch über den Schreibtisch. Der Mann schlug die erste Seite auf. Schlagartig wandelte sich sein Gesichtsausdruck.
»Ich möchte gerne wissen, ob mein Onkel noch weitere Konten bei Ihnen unterhielt und ob«, Tom legte den Schlüssel auf den Schreibtisch, »das ein Schlüssel zu einem Ihrer Schließfächer ist.«
Herr Simons blickte ihn kurz an und schaute dann auf seinen Monitor. Tom konnte den Bildschirm nicht einsehen und so blieb ihm nichts anderes übrig, als geduldig zu warten. Es dauerte ziemlich lange.
»Nein, außer diesem Sparbuch gibt es keine weiteren Konten.«
»Dann will ich bitte wissen, von wem die monatlichen Eingänge, die bis Februar verbucht worden sind, stammen. Schließlich möchte ich das Konto auflösen und muss den Absender des Geldes informieren, dass das Konto nicht mehr existiert.«
»Das ist nicht nötig. Das Geld geht sowieso automatisch an den Absender zurück, wenn das Konto aufgelöst ist.«
»Ich möchte den
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