Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Seite und erzählte nun von leichtsinnigen Touristen und den Gefahren einer auflaufenden Flut. Tom ließ sich wieder etwas zurückfallen. Die Gefahren des Meeres waren ihm nur zu gut bekannt. Einige wenige Male hatte sein Onkel ihn mit ans Meer genommen. Noch heute war er beeindruckt von dessen Fähigkeit, ab- und auflaufendes Wasser durch simples Betrachten der Wellen zu unterscheiden. Am Meer war Onkel Hannes häufig sehr gesprächig gewesen. Er erinnerte sich an so manche Begebenheit von leichtsinnigen Wattwanderern, die er ihm erzählt hatte. Nur wenn Tom Fragen über gespenstische Geschichten stellte, die sein alter Sachkundelehrer Herr Nommensen manchmal erzählt hatte, war Onkel Hannes wieder schweigsam geworden. »Alles Spökenkrams!«, hatte er dazu nur gesagt. Tom allerdings hatten diese Geschichten immer fasziniert. Gingen doch in ihnen Geister um, fand man Teufelsspuren oder verschwanden ganze Halligen auf dem Meeresgrund. Noch heute berührten ihn die Erzählungen aus alter Zeit irgendwie eigenartig.Nur noch eine kurze Wegstrecke trennte die Gruppe von der Hallig. Momme Jacobs war stehen geblieben. Er blickte zunächst in die Runde, anschließend auf seine Uhr.
    »Wir haben gut anderthalb Stunden Zeit auf der Hallig. Sie können einen Rundgang machen, sich die Kirche anschauen oder in die Gaststube einkehren. Wir treffen uns wieder hier.«
    Der Wattführer drehte sich um, stieg die Leiter über die Halligkante hinauf und lief Richtung Warft. Die Leute der Wandergruppe standen etwas unschlüssig im Watt. Tom kletterte ebenfalls auf die Halligkante. Einige aus der Gruppe folgten ihm. Sein Magen knurrte und er beschloss, in der kleinen Gaststube etwas essen zu gehen.Er lief den kleinen geschlängelten Weg durch die Seegraswiesen zur Warft hinauf. Unterwegs versuchte er, sich im Gras den Schlick von den Füßen zu reiben. ›Kiek in‹ hieß das kleine Restaurant, das oben auf der Warft lag und mit einer kleinen Tafel, auf der freundliche Willkommensgrüße geschrieben standen, um Gäste warb. Tom betrat den kleinen Gastraum. Momme Jacobs saß bereits an einem der Tische, vor ihm standen ein Bier und ein Korn. In seinem Mundwinkel steckte ein Zigarrenstummel.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«Momme Jacobs nickte nur. Tom bestellte sich Matjes mit Pellkartoffeln und ebenfalls ein Bier. In der Stille des Augenblicks überlegte er, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, um nach Onkel Hannes zu fragen. Doch es war ein angenehmes Schweigen, das an ihrem Tisch herrschte und er wollte es nicht brechen.Der Matjes schmeckte vorzüglich. Schon lange hatte Tom keinen mehr gegessen. In München gab es kaum Restaurants, die dieses Gericht anboten. Verständlich. Monika mochte keinen Fisch und deshalb kochte sie auch keinen. Und seine Kochkünste? Na ja, die beschränkten sich eher auf Tiefkühlpizza und Spiegeleier.Er genoss den Matjes bis zum letzten Bissen. Gesättigt lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
    »Sie kommen von hier, oder?«, fragte Momme Jacobs unvermittelt.
    »Ich habe eine Zeit lang hier gelebt.«
    »Hab ich mir gedacht. Warst ja nicht gerade interessiert an dem, was ich vertellt hab. Kanntest du wohl schon.«
    Zusätzlich, dass Momme Tom plötzlich duzte, verfiel er auch in eine Art Mischmasch aus Hoch- und Plattdeutsch.
    »Wo kommst denn her?«
    »Ich bin der Neffe von Hannes Friedrichsen«, antwortete Tom und wartete gespannt auf die Reaktion von Momme.
    »Wat, von dem Mörder-Hannes?«
    »Ja, kannten s ie ihn?«
    »Wieso kannten? Is he tot?«
    »Ja, vor sechs Wochen ist er gestorben.«
    »Na, hat der Düwel ihn endlich holt.«
    Tom merkte, wie sein Herz anfing, schneller zu schlagen. Warum sprach Momme so über Hannes? Was wusste er über die ganze Sache?
    Toms Mund war plötzlich ganz trocken, er musste dreimal schlucken.
    »Was soll das heißen? Haben Sie ihn überhaupt gekannt?«
    Momme Jacobs setzte sich gerade auf, kippte seinen Korn in einem Schluck hinunter.
    »Ik will dir mal eins vertelln. Jahrelang hab ich mit dem zusammengearbeitet. Immer schon hab ich gewusst, dass mit dem was nicht stimmt. Der hatte den Düwel persönlich in sik. Die kleine Britta war ja nich das erste Kind, wat verschwunden is. Auf Föhr sprach man ja schon wieder von den Muunbälckchen, die die Kinder holen. Wenn er da man nich auch seine Finger mit drin hatte.«
    Er war aufgestanden und suchte in seiner Hosentasche nach Kleingeld. Es war nur zu offensichtlich, dass er mit Tom nicht länger an einem Tisch sitzen

Weitere Kostenlose Bücher