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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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Wattenmeer hinaus und etwas weiter von dem gegenüberliegenden Marschufer entfernt eine kleine Hallig, die sie ›Jeverssand‹, auch ›Jevershallig‹ nannten.«

     
    Als Tom aufwachte, schien die Sonne. Er fühlte sich ausgeruht und sprang voller Tatendrang aus dem Bett.
    In der Küche brühte er sich mit Onkel Hannes altem Porzellanfilter einen Kaffee auf und ging ins Bad. Das warme Wasser tat ihm gut. Er ließ es einige Minuten auf seinen Körper niederprasseln, bis er den Warmwasserhahn zudrehte und wenige Sekunden unter der nun eisigen Flut ausharrte. Schnell stellte er das Wasser ab, griff prustend nach einem Handtuch, das auf dem wackeligen Badezimmerschrank lag. Es war hart und roch leicht muffig.
    Er trocknete sich flüchtig ab und studierte seine Notizen. ›Eigentlich alles Dinge, die man nicht an einem Sonntag erledigen kann‹, fiel ihm auf. Das bedeutete, er konnte den Tag nutzen, um etwas Schönes zu unternehmen. Der strahlend blaue Himmel lud dazu ein.
    ›Wie kann man so einen Tag am besten verbringen?‹, überlegte er. Ihm fiel das kleine Plakat ein, das er gestern an einem Laternenpfahl gesehen und welches zu einer ganz besonderen Wanderung eingeladen hatte: »Mit Momme Jacobs übers Watt zur Hallig Oland«.
    Ihm blieb noch reichlich Zeit.
    Der angegebene Treffpunkt lag am Außendeich. Mehrere Leute warteten bereits. Einige hatten schon ihre Schuhe ausgezogen, andere cremten sich mit Sonnenmilch ein. Er grüßte freundlich in die Runde.
    Die Sicht war klar, Oland erschien heute ungewöhnlich nah. In der Ferne konnte er auf dem Damm eine Lore ausmachen. Von Momme Jacobs war immer noch nichts zu sehen. Tom blickte weiter aufs Meer hinaus. Rechts war der weiße Strand von Föhr zu erkennen, etwas weiter links lag Oland. Das Wasser war schon ein ganzes Stück abgelaufen. Sie sollten langsam aufbrechen.
    Endlich sah er Momme Jacobs eilig über den Deich näher kommen. Er war nicht besonders groß und durch seine Leibesfülle wirkte er sehr kompakt. Seine Hosen hatte er bis unterhalb der Knie aufgekrempelt, er trug eine dunkelblaue Kapitänsmütze und einen kleinen Rucksack.
    »Moin, Moin«, grüßte er kurz, ohne Halt zu machen und kletterte gleich die Holzleiter hinunter, die vom Deich über die befestigte Abbruchkante ins Watt führte. Die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung.
    Im Laufen stellte Momme Jacobs sich vor und begann sogleich, sein Wissen über das Wattenmeer und seine Bewohner kundzutun. Tom bekam fast gar nichts davon mit, da er ebenfalls wie die anderen hauptsächlich damit beschäftigt war, sich mit nackten Füßen durch das ungewohnte Terrain zu kämpfen. Die ersten 200 bis 300 Schritte sank er bis zu den Waden im weichen Schlick ein. Dann wurde der Boden fester und es fiel ihm leichter, mit Momme Jacobs Schritt zu halten und seinem Vortrag zu folgen.
    Der erzählte gerade, dass er als Deichbauarbeiter gearbeitet hatte und erklärte, wie wichtig der Küstenschutz für Nordfriesland sei. Tom fragte sich, ob Momme Jacobs wohl Onkel Hannes gekannt hatte, schließlich war der ja auch beim Deichbauamt beschäftigt gewesen. Er wartete auf eine passende Gelegenheit, ihn danach zu fragen, aber Momme Jacobs machte keine Pause, sondern fuhr mit seinen Ausführungen fort.
    Die Anwesenden lauschten andächtig dem Vortrag über den Deichbau. Tom ließ sich absichtlich etwas zurückfallen und genoss die Wanderung durch die scheinbar unbegrenzte Weite. Er schaute zurück zum Ausgangspunkt ihrer Wanderung, der immer kleiner wurde. Oland hingegen schien jedoch in gleichbleibend weiter Ferne. Er dachte an Onkel Hannes und stellte ihn sich in jungen Jahren als Deichbauarbeiter vor. Mit seinen kräftigen Armen schob er eine mit Erde beladene Schubkarre über die Innenböschung hinauf zur Deichkrone. Hier draußen bei Wind und Wetter hatte er gearbeitet, geholfen dem ›Blanken Hans‹ zu trotzen. Tom fiel das Gedicht von Liliencron ein: ›Trutz, blanke Hans.‹ Sein Lehrer in der Grundschule hatte es oft vorgetragen, besonders in den Wintermonaten, wenn die Stürme über das Land peitschten und der ›Blanke Hans‹ an den Deichen leckte. Kaum vorstellbar, dass dieser ruhige Ort sich zu einem stürmischen Ungeheuer erheben konnte und Tausenden von Menschen den Tod gebracht hatte.
    Sie hatten den Priel, der etwa die Hälfte ihres Weges kreuzte und nur an seichten Stellen zu passieren war, erreicht und wateten einer nach dem anderen durch das flache Wasser. Momme Jacobs wartete bereits auf der anderen

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