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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht hatte beantworten können. Zum Beispiel interessierten ihn auch die Gerichtsverhandlung und die Proteste, die vor dem Gericht stattgefunden hatten. Aber darüber hatte Haie ihm nur wenig sagen können. Er hatte viel gearbeitet, besonders im Schichtdienst, häufig Doppelschichten. Da war ihm keine Zeit geblieben, zu den Verhandlungen zu gehen. Er konnte sich auch nicht mehr daran erinnern, ob die Verhandlungen überhaupt öffentlich gewesen, oder ob die anderen nur zum Protestieren nach Husum gefahren waren. Das könne er aber herausfinden, hatte er gemeint.
    Tom überlegte, wie er mehr über die Gerichtsverhandlungen in Erfahrung bringen konnte. Selbst wenn jemand aus dem Dorf dabei gewesen war, würde derjenige sehr wahrscheinlich nicht mit ihm darüber sprechen.
    Er fing an, wieder Ordnung im Haus zu schaffen. Es war noch früh am Abend und er hatte nichts anderes vor. Er begann in der Küche. Alle Sachen, die er wohl in den nächsten Tagen nicht mehr brauchen würde, warf er in einen alten Wäschekorb, den er anschließend in den Container im Garten leerte.
    Die Küchenuhr wollte er zur Erinnerung aufbewahren. Er legte sie zu dem Karton mit seinen Briefen.
    Im Wohnzimmer musste er etwas genauer sortieren. Alles, was ihm wichtig erschien, stapelte er zunächst auf dem kleinen Couchtisch.
    Als er die Zeitungsausschnitte nochmals durchschaute, kam ihm eine Idee. Sicherlich war doch bei den Gerichtsverhandlungen auch die Presse vertreten gewesen. Irgendwie musste der Zeitungsreporter ja an seine Informationen und zu den Bildern gekommen sein. Hastig blätterte er zwischen den verschiedenen Zeitungsausschnitten. Unter allen Berichten des Nordfriesischen Tageblatts stand ein und dasselbe Kürzel: M.S. Wer sich dahinter wohl verbarg? Michael Schmidt? Markus Sönnichsen? Tom überlegte kurz, dann ging er zum Telefon und wählte die Nummer der Auskunft.
    »Ihre Auskunft, schönen guten Abend, was darf ich für Sie tun?«, meldete sich eine freundliche Stimme.
    »Ich hätte gerne die Nummer der Redaktion des Nordfriesischen Tageblatts.«
    »Einen Moment bitte.«
    Er hörte, wie eine Eingabe auf einer Tastatur erfolgte. Dann nannte man ihm die Nummer. Tom notierte sie auf einen der Zeitungsausschnitte.
    »Darf ich Sie gleich verbinden?«
    »Nicht nötig«, antwortete er, nachdem er gesehen hatte, dass es bereits nach zehn Uhr war. Heute würde er niemand mehr erreichen.
    Er legte die Zeitungsausschnitte zu den Unterlagen auf den Couchtisch. Dann löschte er das Licht, ging ins Bad und putzte sich die Zähne.
    In seinem alten Zimmer drehte er die aufgeschlitzte Matratze um und legte sich mit dem Schlafsack darauf. Als er den Wecker in seinem Handy stellen wollte, sah er, dass Monika angerufen hatte. Sie hatte auf die Mailbox gesprochen und sich entschuldigt, ihn wegen der Einladung so bedrängt zu haben. Sie habe ganz vergessen zu fragen, wie es ihm denn überhaupt ginge und hoffe, er käme bald nach Hause, da sie ihn schrecklich vermissen würde. Tom schloss die Augen. Er war viel zu müde, sich Gedanken darüber zu machen, ob es ihm genauso ging und schlief erschöpft ein.

15
    Frieda schloss die Haustür ab und stellte sich auf den Bürgersteig vor der kleinen Wohnanlage. Fritz wollte sie gegen zehn Uhr abholen und zum Hafen fahren.
    Heute war die Seebestattung von Inge Sönksens Bruder Heinz. Er war sein ganzes Leben lang zur See gefahren. Als er letztes Jahr aufgrund eines Herzinfarktes nicht mehr an Bord hatte zurückkehren können, war er Tag für Tag ein Stück gestorben, bis er letzte Woche die Augen für immer geschlossen hatte.
    Frieda hatte ihn nicht sonderlich gut gekannt, aber Inge zuliebe nahm sie an der Trauerfeier teil. Er hatte sich eine Seebestattung gewünscht.
    Für Frieda war es die erste Seebestattung. Sie ging ohnehin ungern auf Beerdigungen. Sie hasste es, daran erinnert zu werden, dass alles vergänglich war, auch Lorentz und sie. Und da sie sich nicht sicher war, ob nach dem Tod noch irgendetwas kommen würde, ging sie davon aus, sich eines Tages für immer verabschieden zu müssen. Diese Vorstellung brach ihr das Herz und sie versuchte, diese Gedanken soweit wie möglich von sich zu schieben.
    Sie blickte auf ihre goldene Armbanduhr. Es war bereits kurz nach zehn, Fritz war mal wieder zu spät. Frieda sah hinauf zum Himmel. Die Sonne hatte sich heute hinter dicken Wolken versteckt. Hoffentlich würde es nicht zu kalt auf dem Schiff werden. Ein Hupen riss sie aus ihren Gedanken. Fritz hielt

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