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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine Frau ihn ziemlich belastet hat. Ich müsste in meinen Unterlagen nachschlagen.«
    Tom war enttäuscht. Gerade die Namen der Personen, die Onkel Hannes belastet hatten, interessierten ihn besonders.
    »Und weiter? Was geschah dann?«
    »Nun ja, Ihr Onkel hat immer wieder beteuert, Britta nicht umgebracht zu haben. Und wie gesagt, es gab ja auch nicht wirklich Beweise. Und als sich langsam abzeichnete, dass die Verhandlung auf einen Freispruch hinauslaufen würde, begannen regelrechte Tumulte. Zunächst meist nur im Gerichtssaal. Später schienen sich sämtliche Dorfbewohner nach Husum aufgemacht zu haben, um vor dem Gerichtsgebäude zu demonstrieren. Mit Plakaten und Bannern blockierten sie den Eingang zum Gericht. ›Mörder-Hannes – sperrt ihn ein‹ und ›Bestraft den Kinderschänder‹ riefen sie teilweise in regelrechten Sprechchören. Stundenlang. Es war unglaublich.«
    Martin Schleier schüttelte seinen Kopf, so als könne er heute immer noch nicht glauben, was sich bei dem Prozess vor dem Gerichtsgebäude abgespielt hatte.
    »Ja und dann gab es tatsächlich einen Freispruch. Sie können sich gar nicht vorstellen, was danach für ein Tumult ausbrach. Mit Polizeischutz haben sie Hannes nach Hause gebracht. Einmal war ich danach in dem Dorf, wollte ein Interview mit Ihrem Onkel machen. Aber er wollte nicht. Hat nur geäußert, er hätte zu der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu sagen. Aber in dem Dorf herrschte eine merkwürdige Stimmung, richtig unheimlich war das. Ich erinnere mich noch ziemlich genau. Es war, als befände man sich in einem überwachten Ort. Man hatte das Gefühl, dass hinter jedem Fenster, jeder Gardine jemand lauerte und überwachte, was man in seinem Dorf machte. Gruselig.«
    Tom nickte leicht. Das Gefühl kannte er.
    »Das hat sich bis heute auch leider kaum geändert«, sagte er. »Was meinen Sie, wieso ich mir die Mühe gemacht habe, Sie ausfindig zu machen? Im Dorf spricht kaum einer mit mir, und wenn, dann ganz gewiss nicht über diese Sache. Bis auf Haie. Aber der ist nie bei den Gerichtsverhandlungen gewesen, deshalb wollte ich Sie treffen.«
    Martin Schleier hatte seinen Cappuccino ausgetrunken und stellte die Tasse schwungvoll auf den Tisch. Es machte den Anschein, als wolle er aufbrechen. Zu Toms Verwunderung jedoch beugte er sich über den Tisch und sagte:
    »Was halten Sie davon, wenn Sie mich heute Abend nett zum Essen einladen und ich dafür mit Ihnen zu mir fahre und in meinen alten Unterlagen nachschlage?«
    Tom war überrascht. Er nickte nur.
    »Dann kommen Sie! Mein Wagen steht gleich um die Ecke.«

19
    Als Broder am Morgen zum Frühstück in die Küche kam, roch es weder nach frischem Kaffee, noch war der Tisch gedeckt.
    Vorsichtig klopfte er an die Schlafzimmertür von Meike und Frank. Als keine Reaktion folgte, trat er ein. Beide Betten waren unberührt, der schwarze Lederkoffer vom Schrank verschwunden. Im Kleiderschrank fehlten einige Kleidungsstücke von Meike. Broder fragte sich, was passiert war und wo die beiden waren.
    Im Büro lief noch der Computer. Broder durchwühlte die Schreibtischschubladen, fand einige Schuldscheine, im Wert von circa 25.000 DM. Er versuchte, Meike auf dem Handy zu erreichen, aber es meldete sich nur die Mailbox. Ihn fröstelte, obwohl es nicht kalt war. Draußen schien die Sonne, es waren bestimmt schon zwanzig Grad.
    Unschlüssig darüber, was er tun sollte, ging er ins Badezimmer. Er ließ heißes Wasser in die Badewanne laufen, zog seine Sachen aus. In dem großen Spiegel betrachtete er sich. Schlaff hing die Haut an fast allen Stellen seines Körpers herunter, besonders am Bauch. Seine Schambehaarung war dünn, sein Penis so klein und schrumpelig, dass er ihn beinahe im Spiegel nicht erkennen konnte. Er ekelte sich vor sich selbst.
    Mühsam stieg er mithilfe der eigens für ihn angebrachten Einstieghilfe ins warme Wasser und versank im Schaum. Die Wärme des Badewassers entspannte seinen Körper. Er fühlte sich müde und krank. Wie sollte es weitergehen? Jahrelang hatte er geschuftet, um den Hof zu dem zu machen, was er war. Tag und Nacht hatte er sich abgemüht, gearbeitet, seine Familie vernachlässigt. Bis sich eine lukrative Einnahmequelle aufgetan hatte. Es war ganz einfach gewesen. So leicht hatte er noch nie Geld verdient. Doch die Sache war beinahe aufgeflogen. Noch heute ärgerte er sich über seine eigene Dummheit. Er hatte damit aufhören wollen, wirklich. Nur ein einziges Mal noch hatte er das schnelle Geld

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