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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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Essbarem. Die Milch war bereits abgelaufen, ein Stück Gouda zeigte ihm seinen pelzigen Belag. Er warf es angewidert in den Mülleimer, nahm ein Glas Erdbeermarmelade aus dem Küchenschrank und bestrich ein Knäckebrot.
    Nachdem die Ärzte seinen Vater gestern reanimiert hatten, war er nach Hause gefahren. Broder ging es schlecht, man hatte ihn auf die Intensivstation verlegt. Die Schwester hatte Frank nahegelegt zu gehen. Sein Vater brauchte absolute Ruhe. Er könne momentan sowieso nichts für ihn tun, hatte sie gesagt.
    Zu Hause war er über die geheimen Schnapsvorräte seines Vaters hergefallen und hatte sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken. Mit jedem Glas hatte er sein schlechtes Gewissen ein Stück mehr betäubt, bis er nicht mehr in der Lage gewesen war, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Schließlich war er eingeschlafen.
    Warum hatte sein Vater sich gestern so aufgeregt? Was waren das für Unterlagen, die Herr Crutschinow gesucht hatte? Und wieso erzählte er ihm nicht, was los war?
    Er stand auf und ging hinüber in Broders Zimmer. Auf dem Sekretär lagen immer noch die Dokumente, zwischen denen der unerwünschte Gast nach irgendetwas gesucht haben musste.
    Frank setzte sich auf den Stuhl vor dem Sekretär und blätterte zwischen den Papieren. Betriebskostenabrechnungen, Bestellungen über Saatgut, Tierarztrechnungen.
    Er hatte die Dokumente bereits an dem Abend, an dem Herr Crutschinow hier herumgeschnüffelt hatte, durchgesehen. Nichts, womit man etwas hätte anfangen können. Nichts, was sein Vater dringend im Krankenhaus benötigt hätte.
    Er zog die Schubladen heraus. Telefonbücher, ein Adressbuch, ein gerahmtes Foto seiner Mutter. Wie jung sie darauf aussah. Er strich zärtlich mit den Fingern über das Glas, ließ das Bild zurück in die Schublade gleiten.
    Als er die Lade zuschieben wollte, klemmte sie. Irgendetwas hatte sich in der Schiene verfangen. Er zog die Lade ganz heraus und kniete sich vor den Sekretär. An der Innenseite des Schreibtisches hinter den Schubladen war ein großer, brauner Umschlag befestigt, der sich beim Herausziehen der Lade in der Schiene verfangen hatte. Er versuchte ihn vorsichtig herauszuziehen, dabei riss das braune Papier ein Stück ein. Neugierig öffnete er den Umschlag. Waren das vielleicht die Unterlagen, nach denen Herr Crutschinow gesucht hatte?
    Er war enttäuscht. In dem Umschlag befanden sich nur alte Zeitungsartikel über das Verschwinden von Britta Johannsen und die anschließende Gerichtsverhandlung. Warum hatte sein Vater sie hier versteckt? Hatte ihn das Verschwinden von Britta vielleicht doch mehr getroffen, als er jemals zugegeben hatte? Schließlich war Britta bei ihnen auf dem Hof ein- und ausgegangen. Broder hatte sie stets fürsorglich behandelt, beinahe wie eine Tochter. Frank erinnerte sich, eifersüchtig auf Britta gewesen zu sein. Er hatte es gehasst, wenn sie auf den Hof gekommen war und sein Vater plötzlich nur noch Zeit für sie gehabt hatte. Ihn hatte er immer links liegen lassen. Egal was er getan hatte, wie sehr er sich auch angestrengt hatte, Britta war immer die bessere Reiterin gewesen. Sein Vater hatte ihn das deutlich spüren lassen. Er hatte Britta gelobt, von ihren Reitkünsten geschwärmt. Frank hingegen war von ihm immer nur kritisiert worden. Nie hatte er auch nur ein anerkennendes Wort zu hören bekommen. Wie sehr er sich auch um die Aufmerksamkeit seines Vaters bemüht hatte, Britta war immer vorgezogen worden.
    Ratlos blickte er auf die Zeitungsausschnitte, die vor ihm auf dem Boden lagen. Er versuchte sich zu erinnern, wie sein Vater auf Brittas Verschwinden reagiert, was er gesagt hatte, aber seine Erinnerungen an jene Zeit waren so blass, er war ja selbst noch ein Kind gewesen. Und die wenigen Erinnerungen aus seiner Kindheit waren immer überschattet vom Vorwurf seines Vaters. Dem Vorwurf, er sei schuld daran, dass sein Vater ein Krüppel war.

36
    Die Türglocke tönte laut und penetrant.
    Frieda lag noch im Bett. Sie fühlte sich schwach und krank. Dem Klingeln folgte ein beharrliches Klopfen. Unwillig stand sie auf und warf sich ihren Morgenmantel über. Sie schleppte sich über den Flur und öffnete die Tür. Es war Hanna.
    »Guten Morgen! Mensch ich hab mir Sorgen gemacht. Du bist ja gestern nicht zum Essen gekommen. Geht es dir nicht gut?«
    Frieda schüttelte leicht den Kopf, ließ Hanna eintreten.
    In der Küche nahm sie den Teekessel und füllte ihn mit frischem Wasser. Als sie sich umdrehte und

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