Deichgrab
Zahlungen.«
Tom startete den Motor.
»Die lügen doch, sobald sie den Mund aufmachen. Warum hat denn nicht einer mal den Mumm zu sagen, was wirklich Sache war?«
»Na ja, Frank ist da wahrscheinlich wirklich der falsche Kandidat. Ich glaube, der hat genauso wenig Ahnung von der ganzen Sache wie wir.«
Auf der Rückfahrt hielten sie kurz an einer Imbissbude und aßen jeder eine Currywurst. Dabei redeten sie kaum miteinander. Als sie wieder in den Wagen stiegen, fragte Tom:
»Und wann willst du mit Elke sprechen?«
Haie zuckte mit den Schultern.
»Hat wohl keinen Zweck, es auf die lange Bank zu schieben. Am besten heute Abend.«
»Willst du sie fragen, von wem das Kind war?«
Er blickte ihn kämpferisch von der Seite an.
»Ich will die ganze Wahrheit wissen!«
Als sie Hannes Haus erreichten, stand ihr Wagen bereits auf der Auffahrt. Marlene saß vor der Haustür und las in einem Buch. Als sie Toms Auto erblickte, klappte sie es zu und stand auf. Er stieg aus und küsste sie zur Begrüßung freundschaftlich auf die Wange. Sie blickte ihn fragend an. Wie hatte sie sich nach seinen Küssen gesehnt, seinen zärtlichen Händen auf ihrem Körper. Der freundschaftliche Kuss enttäuschte sie. Als sie jedoch den Ausdruck in seinen Augen sah, erkannte sie, dass ihm die Situation scheinbar etwas unangenehm war. Sie fragte sich, warum.
»Haie, das ist Marlene.«
Haie trat zu den beiden und reichte ihr zur Begrüßung die Hand.
»Angenehm, ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
Sie fand ihn sofort sympathisch, erkannte in ihm sofort einen freundlichen und netten Mann. Nicht so verstockt, wie die meisten in dieser Gegend. Sie erwiderte sein verschmitztes Lächeln.
»Angenehm, ich auch von Ihnen.«
Sie gingen in die Küche.
»Ich mache uns schnell mal einen Eistee«, sagte Tom.
Haie und Marlene setzten sich an den Tisch.
»Nett von Ihnen, dass Sie Ihre Hilfe angeboten haben.«
Er beobachtete, wie sie ihren Blick durch die Küche wandern ließ.
»Das ist doch selbstverständlich.«
»Na ja, ich weiß ja nicht, ob Sie wissen, worauf Sie sich da einlassen.«
Tom, dem die Doppeldeutigkeit in Haies Worten nicht entgangen war, räusperte sich.
»Wir schauen einfach mal. Undurchsichtiger kann die ganze Sache ja eigentlich gar nicht mehr werden.«
Er stellte drei Gläser auf den Tisch und setzte sich zu den beiden.
»Kekse habe ich leider keine und die letzen Pralinen ...«
»Habe ich gestern leider aufgegessen. Sagen Sie Marlene, was machen Sie eigentlich in dieser Gegend?«
Sie erzählte ihm von ihrer Doktorarbeit und den Nachforschungen über Theodor Storm.
»Das ist ja interessant. Und was haben Sie danach beruflich so vor?«
Tom, dem die Fragen irgendwie peinlich waren, versuchte schnell das Thema zu wechseln.
»Wie wollen wir denn nun die ganze Sache anpacken?«
»Ich schlage vor«, antwortete Marlene dankbar über den Themenwechsel, »ihr macht mal eine Art Brain-Storming und schreibt zu allen Fakten, die euch bisher bekannt sind, ein paar Stichpunkte auf. Später versuchen wir die Punkte in eine mögliche Reihenfolge zu bringen und schauen einfach, was dabei so herauskommt.«
Haie nickte. Tom stand auf und holte aus einem der bereits gepackten Kartons drei Kugelschreiber und Papier.
Sie begannen sofort, alles, was ihnen bisher bekannt war, aufzuschreiben. Marlene beobachtete sie dabei. Sie fragte sich, was die beiden wohl verband. So unterschiedlich waren diese Männer, die ihr gegenüber an dem alten Küchentisch saßen und eifrig Punkt für Punkt auf die weißen Papierblätter schrieben. Tom hatte ihr lediglich erzählt, er habe Haie eines Abends in der Dorfkneipe kennen gelernt. Was aber bewegte Haie dazu, als Einziger aus dem Dorf mit Tom nach der Wahrheit zu suchen?
Sie errötete, als Haie sie anblickte. Er hatte ihren eindringlichen Blick bemerkt, lächelte kurz und widmete sich wieder seinen Aufzeichnungen. Sie goss sich ein weiteres Glas Eistee ein und ließ ihren Blick erneut durch die Küche wandern. Wie wohl der Mensch gewesen war, der hier gelebt hatte? Wie mochte er ausgesehen haben? Was hatte er erlebt? War er glücklich gewesen? Ihr Blick fiel auf die Küchenuhr, die auf einem der Kartons lag, in dem Tom die Gegenstände, die er behalten wollte, gesammelt hatte. Sie lächelte, als sie die Widmung las. Der ›Blanke Hans‹ war hier allgegenwärtig. Woher wohl eigentlich der Name kam? Sie musste das recherchieren.
Nach einer guten Stunde legte Tom seinen Kugelschreiber aus der
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