Deichgrab
Johannsen ihre Chance, deren Platz einzunehmen. Ich meine, immerhin war Broder ein reicher Mann und der Vater ihrer Tochter. Wahrscheinlich hätte er ihr ein angenehmeres Leben bieten können. Und sie hatte ein Verhältnis mit ihm. Vielleicht liebte sie ihn noch immer?«
Sie versuchten, Marlenes Spekulationen zu folgen.
»Marlies setzte Broder unter Druck, der wollte aber nichts von der ganzen Sache wissen. Heimlich inszenierte er das Verschwinden von Britta, täuschte einen Mord vor. In Wahrheit brachte er sie ins Ausland, schickte sie dort auf ein Internat. Hannes bekam Wind von der Sache. Er versuchte, Broder zu erpressen. Der schlug ihm einen Deal vor: Er würde Hannes Geld zahlen, wenn er sich vor Gericht anklagen ließ. Broder streute die Gerüchte, die Leute aus dem Dorf griffen die Anschuldigungen auf, schließlich war er nicht nur reich, sondern auch angesehen im Dorf. Er sorgte auch für die Falschaussage Ihrer Frau. Hannes ließ sich auf den Vorschlag ein, kassierte Schweigegeld. Da er aber seine Unschuld beteuerte, und er war ja auch in Wahrheit unschuldig, es keine Leiche gab und Broder letztendlich auch seine Aussage zurückzog, wurde er freigesprochen. Die Leute im Dorf dachten aber weiterhin, er wäre der Mörder von Britta und mieden ihn und später auch dich. Bis heute. Broder hatte natürlich gegenüber Marlies und Volker Johannsen ein schlechtes Gewissen, schließlich wussten die beiden nicht, dass Britta noch lebt und deswegen greift er ihnen nach Marlies’ Absturz in die Alkoholabhängigkeit finanziell unter die Arme.«
Zufrieden lehnte sie sich zurück und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Gespannt wartete sie auf die Reaktion der beiden. Aber sie waren zunächst sprachlos. Nach einer Weile räusperte sich Tom. Immer noch ganz erschlagen von den Ausführungen, fragte er zaghaft:
»Und was ist mit den Sachen aus dem Schließfach? Ich meine das Geld und die Fotos?«
Sie griff nach den Unterlagen, die auf der Eckbank lagen, und warf flüchtig einen Blick auf die Listen und Fotos.
»So schlimm es vielleicht auch jetzt für dich sein mag. Aber wahrscheinlich war dein Onkel an dem Giftmüll-skandal beteiligt. Das würde zumindest das Geld erklären.«
»Aber warum hat er es denn in einem Schließfach aufbewahrt? Warum hat er es denn nicht ausgegeben?«
»Vielleicht hatte er das ja vor. Vielleicht wollte er eine große Reise machen oder so. Nur ist er leider vorher gestorben.«
Tom stand energisch vom Küchentisch auf.
»Wieso hätte er so etwas tun sollen? Wieso?«
»Na wegen dem Geld«, warf nun Haie ein. »Ich mein, so ein lustiges Leben hatte er ja nun wirklich nicht. Vielleicht hat Marlene recht und er wollte noch mal ’ne große Sause machen!«
»Woran ist Hannes eigentlich gestorben?«, fragte Marlene.
»Angeblich an Herzversagen«, antwortete Tom.
»Stellst du das nun etwa auch in Frage?«
Haie blickte ihn überrascht an.
»Ach, ich weiß gar nicht mehr, was ich glauben soll!«
Erschrocken blickte Haie auf seine Uhr.
»Ich wollte doch zu Elke.«
Er stand hastig vom Tisch auf. Dabei drückte er plötzlich die Hand auf seinen Bauch.
»Ist dir nicht gut?«, fragte Tom besorgt.
»Ach was, ist nur die Aufregung. Wir reden später weiter. Vielleicht habe ich heute Abend auch neue Informationen. Bis dann!«
Tom und Marlene hörten die Haustür zufallen.
»Ich wollte dich nicht verletzen. Das sind doch alles nur Vermutungen.«
»Ich weiß.«
Er trat auf sie zu und streichelte zärtlich ihr Gesicht.
»Es ist nur, egal wie wir es drehen und wenden, die Lösung scheint so weit entfernt. Ich habe kaum noch Hoffnung, die Wahrheit wirklich herauszufinden.«
Sie blickte ihm tief in die Augen.
»Vielleicht liegt die Lösung näher, als wir glauben. Du darfst jetzt nicht aufgeben.«
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen. Mit ihren Lippen berührte sie seine Stirn, suchte mit ihren Lippen seinen Mund. Er fühlte wieder diese wohlige Wärme, umarmte sie und zog sie fest an sich.
»Du hast recht. Ich darf jetzt nicht aufgeben.«
Haie lehnte sein Fahrrad an die Hauswand und ging zur Eingangstür. Bevor er den schwarzen Klingelknopf drückte, holte er dreimal tief Luft. Er war fest entschlossen, mit Elke zu sprechen, dennoch verspürte er in seiner Magengegend ein ungewohntes Gefühl. Mit zittrigem Finger drückte er den Klingelknopf. Nur wenige Augenblicke später hörte er Schritte.
Elke schaute ihn mit großen Augen an. Sie hatte niemanden erwartet, ihn am
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