Deichgrab
es ja auch nur im Sinne des Absenders sein, wenn er über die Auflösung des Kontos informiert wird.«
»Aber das könnten doch auch wir ...«
Tom verlieh seiner Stimme Nachdruck.
»Ich habe Ihnen doch schon einmal erklärt, wie wichtig es mir ist, den Absender persönlich zu informieren. Vielleicht war es ein guter Freund. Dem kann man ja nicht einfach so das Ableben meines Onkels an den Kopf knallen.«
»Das glaube ich kaum«, hörte er den Bankmitarbeiter leise am anderen Ende der Leitung murmeln.
»Bitte?«
»Ich glaube kaum, dass es sich bei dem Absender des Geldes um einen guten Freund Ihres Onkels handelt.«
Herr Simons glaubte, aufgrund seiner Information wieder die Oberhand in dem Gespräch gewonnen zu haben. Tom hörte es an der Stimme.
»So«, sagte er deshalb und versuchte seine Stimme möglichst kleinlaut klingen zu lassen, »und wieso nicht?«
Er war sich sicher, der Bankangestellte würde den Namen gleich ausplaudern.
»Weil es sich bei dem Absender um Broder Petersen handelt«, tönte es auch schon aus dem Hörer.
»Ach so, aber wieso hat der denn meinem Onkel Geld überwiesen?«
»Darüber kann ich Ihnen leider keine Auskünfte geben.«
»Nein, nein! Haben Sie Dank für Ihre Bemühungen.«
Er wählte die Nummer der Auskunft und ließ sich mit der Grundschule im Dorf verbinden. Es meldete sich eine freundliche Frauenstimme.
»Ich würde gerne mit Haie Ketelsen sprechen.«
»Einen Augenblick, bitte.«
Er hörte Schritte, die sich entfernten, dann: »Herr Ketelsen! Telefon!«
Kurze Zeit später meldete sich Haie am Telefon: »Ja, Ketelsen?«
Tom erzählte ihm, was er soeben von der Bank erfahren hatte. Haie pfiff leise in den Hörer.
»So, so, hat der alte Petersen also doch seine Finger mit im Spiel gehabt. Na, dann nichts wie ab zu Broder Petersen ins Krankenhaus. Holst mich in ’ner Stunde ab?«
41
Das schrille Klingeln des Telefons ließ Frieda erschrocken auffahren. Sie war in dem Sessel eingeschlafen. Vor ihr auf dem Couchtisch stand eine leere Schnapsflasche, daneben ein Wasserglas. Sie hatte sich, nachdem sie gestern aus dem Pflegeheim nach Hause gekommen war, mit der Flasche dort niedergelassen. Schluck um Schluck hatte sie ihre Gedanken betäubt. Die Gedanken, die sich immer nur um die eine Frage drehten. Warum?
Das Telefon klingelte erneut. Mühsam stemmte sie sich aus dem Sessel hoch. Ihr Kopf schmerzte. Sie meldete sich mit belegter Stimme.
»Endlich«, hörte sie aufgeregt Dr. Roloff am anderen Ende, »Frau Mommsen, bitte kommen Sie schnell. Ihrem Mann geht es sehr schlecht.«
›Warum ruft ihr nicht Marlies Johannsen an‹, dachte sie, sagte aber:
»Ja, ich komme gleich.«
Als sie das Zimmer betrat, lag Lorentz in seinem Bett. An den Seiten hatte man Gitter befestigt, damit er nicht hinausfiel. Unruhig warf er sich hin und her, murmelte permanent unverständliche Worte.
Sie trat ans Bett. Seine Augen waren weit geöffnet, glänzten fiebrig. Auf seiner Stirn standen kleine Schweißperlen.
»Ich bin ja da!«
Aber er nahm sie gar nicht wahr. Zu weit weg war die Welt, in der er sich befand. Sie streichelte vorsichtig seine Hand. Er zuckte zusammen.
Die Tür wurde geöffnet und Dr. Roloff betrat das Zimmer.
»Frau Mommsen, guten Tag! Wir haben ihm ein Beruhigungsmittel gespritzt, aber es hilft nur wenig. Wissen Sie , was ihn so aufgewühlt haben könnte?«
Sie zuckte mit den Schultern. Oh ja, sie kannte den Grund seiner Aufregung, seiner Ruhelosigkeit. Und auch wenn sie keines seiner Wörter akustisch verstand, wusste sie doch, was er sagte, nach wem er so verzweifelt rief. Aber was würde es ändern, wenn sie es Dr. Roloff sagte? Was würde es nützen? Sie hatte alles versucht, um ihrem Mann zu helfen in den letzten Tagen, Wochen und Monaten. Wirklich alles.
Auf dem Parkplatz war um diese Zeit wenig los. Die offizielle Besuchszeit hatte noch nicht begonnen und so fand Tom ohne Schwierigkeiten einen Parkplatz nahe der Treppe, die zum Eingang des Krankenhauses führte.
Der Mann hinter der Glasscheibe am Informationsschalter gab ihnen die Auskunft, Broder Petersen befände sich zurzeit auf der Intensivstation im fünften Stock. Darüber, ob er bereits Besuch empfangen dürfe, hatte der Mann jedoch keine weiteren Informationen. Er riet den beiden, einfach im fünften Stock an der Tür zum Intensivbereich zu klingeln und bei einer der Schwestern nachzufragen.
Sie nahmen den Aufzug in den fünften Stock. Tom hasste den Geruch, der ihm bereits beim Öffnen
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