Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
und setzte sich mit ihrem Frühstück auf den winzigen Balkon. Irgendwann klingelte ihr Handy. Ihre Mam natürlich. Der Kontrollanruf war überfällig. Lou erstattete pflichtschuldig Bericht. Ja, sie kam am Praktikumsplatz gut zurecht. Genau, die Leute waren alle nett. Keine Sorge, ihr ging es gut. Logo, der Chef war mit ihr zufrieden. »Alles okay, Mam. Und einen schönen Gruß an Pa. Ich muss Schluss machen. Der Akku ist fast leer.«
    Puh. Sie legte auf und atmete durch. Ihre Mam musste sich echt keine Sorgen machen. Alles lief prima. Sylkes Zickereien perlten an Lou ab. Abgesehen davon war das einzig wirklich Ärgerliche bisher der dreckige Witz gewesen, den Julian erzählt hatte. Und so etwas ließ sich ja aushalten.
    Lou räumte das Frühstück weg und spülte endlich das Geschirr ab, das sich im Laufe der Woche angesammelt hatte. Wäsche waschen musste sie auch mal. Die Hausmeisterin hatte ihr den Raum mit den Waschmaschinen im Keller gezeigt. Dafür musste man sich rechtzeitig in Listen eintragen und spezielle Münzen bei ihr kaufen. Ganz schön umständlich. Aber Lou hatte einen Waschsalon ganz in der Nähe entdeckt. Sie beschloss, dorthin zu gehen, und begann, die Schmutzwäsche zusammenzusuchen. Dabei fiel ihr die Seite aus der Süddeutschen wieder in die Hände. Sie faltete sie zusammen und dabei blieb ihr Blick an einem Namen hängen, der neben den Traueranzeigen in der Übersicht mit den Bestattungsterminen stand. Daniela Schneider, 17, Schülerin.
    Das war doch die Schülerin, die drei Wochen lang verschwunden war, bevor man ihre Leiche gefunden hatte. Sie war vergiftet worden.
    Ein kalter Schauer durchlief Lou. Das war jetzt schon ein komischer Zufall, dass der Beisetzungstermin genau auf dieser Zeitungsseite stand, die Onkel Achim ihr unter der Tür durchgeschoben hatte.
    Oder war das kein Zufall? Kam die Zeitungsseite gar nicht von Onkel Achim? Ging es gar nicht um eine Ausstellung oder das Kunstbuch? War die eigentliche Botschaft der Bestattungstermin von Daniela? Kalte Angst legte sich in Lous Magen. Die Härchen an ihren Unterarmen richteten sich auf, ihre Haut fühlte sich plötzlich an wie elektrisch geladen. Daniela… egal wo Lou auch war, immer wieder wurde sie mit diesem schrecklichen Mord konfrontiert. War das etwa Absicht? Versuchte jemand, ihr Angst einzujagen?
    Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Nur nicht paranoid werden. Bisher waren es immer Zeitungsartikel gewesen. Zuerst daheim in Straubing und dann die Headlines der Zeitungen, die den Passanten diese grausame Tat ja geradezu entgegenschrien. O.k., die Zeitungsseite, die bei ihr im Zimmer gelandet war. Aber das war sicher Onkel Achim gewesen. Denn jemand, der nicht im Haus wohnte, wäre nicht bis zu ihrer Wohnungstür gekommen. Er hätte das Kuvert unten vorm Haus in den Briefkasten geworfen.
    Trotzdem musste sie das jetzt wissen und rief Onkel Achim an. Doch es meldete sich nur der AB und auch beim Handy ging nur die Mailbox dran. Sie hinterließ ihm keine Nachricht. Entweder wollte er ihr das Buch als Lektüre empfehlen, wobei sie sich das nicht leisten konnte, beinahe vierzig Euro, oder er dachte, die Ausstellung könnte sie interessieren. Eine andere logische Erklärung gab es nicht. Gut, okay, einverstanden. Wenn es mal ein paar Regentage gab, würde sie ins Museum gehen. Aber jetzt schien die Sonne und es war Wochenende. München wartete auf sie.

21
    Der alte Hof ging ihm nicht aus dem Kopf. Er betrachtete die Aufnahmen. So ruhig. So abgeschieden. Für seine Zwecke war er einfach ideal gewesen. Doch leider konnte er nicht dorthin zurückkehren.
    Eine Weile vertiefte er sich noch in die Fotos. Wanderte von der idyllischen Voralpenlandschaft ins Innere des Hauses, in die Milchkammer. Weiße Fliesen, verschimmelte Fugen, kaltes Neonlicht. Eine Matratze. Eine Flasche Cola. Sie. Seine Prinzessin der Angst. Einige Augenblicke hing er noch seinen Erinnerungen nach, bevor er sich von der Wand mit ihren Hunderten von Bildern abwandte. Postkartenkleine, plakatgroße Bilder. Herangezoomte Close-ups, reduzierte Ausschnitte. Seine Freudenwand. Es war Zeit, ein neues Refugium zu suchen, einen entlegenen, gottverlassenen Ort. Er hatte lange darüber nachgedacht und war zu einer Entscheidung gekommen. Es war zu riskant, immer wieder Fahrzeuge zu stehlen. Irgendwann würde ihn jemand dabei beobachten. Dann würde es eine Personenbeschreibung geben und schließlich eine Fahndung nach ihm. Das mit den Autos musste er lassen. Auch aus

Weitere Kostenlose Bücher