Dein Blick so kalt
Den Rest des Tages verbrachte sie mit einem Bummel durch Schwabing und fiel dann abends todmüde ins Bett.
Am Montag durfte Lou zwei weitere Motive für die Plakatserie gestalten, während Sylke Einladungskarten für die Ispo druckfertig machen sollte. Peter erklärte ihr, worauf sie achten musste. Überfüllungen und Sonderfarben und welche Einstellungen für eine Druckdatei die richtigen waren.
Mittags kam Julian herein und sah erst Lou über die Schulter, dann Sylke. »Sehr gut. Ihr beide macht euch prima. Wenn das weiterhin so bleibt, werde ich mich kaum entscheiden können, wem ich den Ausbildungsplatz gebe.«
Er duftete ein wenig zu stark nach einem teuren Herrenparfüm. Seit er diesen schlüpfrigen Witz erzählt hatte, beobachtete sie ihren Chef skeptischer als zuvor. Er hatte ordentlich Sympathiepunkte verloren. Nun fuhr er sich mit einer affektierten Geste übers Kinn. »Außerdem habe ich mir überlegt, dass es höchste Zeit ist, euch beide Hübschen zum Mittagessen einzuladen. Ich habe einen Tisch bei Silvio reserviert. In zehn Minuten fahren wir.«
Nee, oder?, dachte Lou, während Sylke ihm ein strahlendes Lächeln zuwarf. »Ja, super. Silvio ist gerade total in.«
Lou hatte keine Ahnung, was das für ein Lokal war. Sie wusste nur, dass sie nicht Hübsche genannt werden wollte. Jedenfalls nicht von ihrem Chef. Und eigentlich wäre sie auch lieber mit Jem in den Park gegangen, um ihr belegtes Brot zu essen. Doch diese Einladung hatte nicht so geklungen, als ob es die Möglichkeit gab, sie abzulehnen.
Also saß sie eine halbe Stunde später mit Julian und Sylke in einem schicken Gartenlokal in Nymphenburg. Der weiß gedeckte Tisch mit glänzendem Besteck und funkelnden Gläsern stand unter dichten Kastanien. Ein Kellner wuselte herum und betete die Speisekarte herunter. Julian bestellte für alle gemischte Antipasti und als Hauptgang Risotto mit Garnelen. Dazu Weißwein und Wasser. Lou hatte eigentlich erwartet, dass sie selbst wählen durfte, was sie essen wollte. Aber schließlich lud Julian sie ein, deshalb entschloss sie sich, nichts zu sagen.
Auf der Fahrt in Julians Cabrio hatte Sylke vorne gesessen, als wäre das ganz selbstverständlich, während Lou sich hinten in den Notsitz gezwängt hatte. Sylke mit Üps nahm sich unheimlich wichtig. Nun führte sie das große Wort, strich sich ständig das lange Haar aus dem Gesicht und benahm sich überhaupt total affektiert. Doch sie brachte Julian zum Lachen, wohingegen Lou als graue Maus am Rand saß. Aber eigentlich war ihr das ganz recht. Sie wollte die Aufmerksamkeit ihres Chefs nur auf ihre Qualifikation gerichtet wissen. Sylke dagegen flirtete schamlos, während Julian sie über ihr Privatleben ausfragte und wissen wollte, ob es einen Mann an ihrer Seite gab.
»Zurzeit habe ich keinen Freund. Mein letzter, das war einfach ein Bubi. Ich finde ja ältere Männer viel interessanter.«
Julian beugte sich ein wenig über den Tisch Sylke entgegen. »Und wir sind auch die besseren Liebhaber, wenn ich das so offen sagen darf. Übung macht bekanntlich den Meister.« Er zwinkerte ihr zu.
Sylke kicherte. Lou verschluckte sich beinahe an einer Garnele und wünschte sich, unsichtbar zu sein. Doch die beiden beachteten sie nicht. Das Gespräch ging auf ähnlichem Niveau weiter, bis ein Spatz auf einem der freien Stühle landete und sich neugierig nach den Krümeln des Weißbrots umsah. Julian bemerkte ihn und warf ihm ein Stückchen Brot hin. »Da fällt mir ein Witz ein.«
Nicht schon wieder, dachte Lou und schaffte es gerade noch, die Augen nicht zu verdrehen. Vermutlich kam gleich einer seiner schmierigen Witze.
Um Aufmerksamkeit heischend sah Julian sich um. Sein Blick blieb an Lou haften. »Seit wann gibt es eigentlich Rotschwänzchen?«
Volltreffer. Lou hatte zwar keine Ahnung, wie der Witz weiterging, doch schon die Frage wies eindeutig in die von ihr befürchtete Richtung. Sie zog die Schultern hoch, ließ sie fallen und wappnete sich für die Antwort.
»Na. Ganz einfach: Seit es Lippenstift gibt.« Julian brach in lautes Gelächter aus. Die Leute vom Nachbartisch guckten. Sylke kicherte. Doch Lou sah ihr an, dass sie das pflichtschuldig tat. Sie wollte diesem Idioten gefallen. Es ging um den Ausbildungsplatz und den wollte sie unbedingt haben. Koste es, was es wolle. Sogar die Selbstachtung.
Julians Lachen verebbte. »Findest du den auch nicht lustig?«
Nein, sie würde ihm nicht Honig ums Maul schmieren. »Nee. Eigentlich nicht.« Lou
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