Dein Blick so kalt
anderen Gründen war es besser, sein Vorgehen zu ändern. Es erschwerte der Polizei die Arbeit. Bisher kannten sie den alten Hof und die Stelle, an der er die Leiche abgelegt hatte, und natürlich den Ort von Danielas Verschwinden. Alle drei waren zwischen sechzig und achtzig Kilometer voneinander entfernt. Wenn wieder ein Mädchen verschwand, würden sie ihre Suche deshalb auf das Umland konzentrieren. Keiner würde in der Stadt suchen. Warum also in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah lag. Und er hatte auch schon eine Idee, wo er möglicherweise den idealen Raum finden konnte.
Er zog sich um: Jeans und Turnschuhe, Freizeithemd, Sonnenbrille und Basecap. So sah er aus wie tausend andere an einem schönen Sommerwochenende und wurde damit unsichtbar. Im Rucksack würde jedermann Badezeug und Brotzeit vermuten, falls sich überhaupt jemand Gedanken darüber machte. Niemand konnte erahnen, dass er seine Expeditionsausrüstung, einen Bund Dietriche, ein kleines Stemmeisen und einen Akkuschrauber bei sich hatte.
Samstagnachmittag. Ein heißer Sommertag. Die meisten Leute waren unterwegs. Sie trafen sich an den Seen zum Baden und Segeln, in den Parks zum Sonnen oder in der Innenstadt zum Shoppen. Auch er verließ seine Wohnung und betrat kurz darauf durch die Tiefgarage den Kellertrakt des Hauses, in dem Lou wohnte.
Im Auge des Hurrikans würde niemand nach ihr suchen. Ein genialer Plan, wie er sich still lächelnd eingestand. Niemals würde man ihn erwischen. Dieser Kommissar Mertens war eine Null und stocherte mit seiner Soko Daniela im Nebel, obwohl sie den Tatort gefunden hatten. Und das war das einzig Ärgerliche bisher. Dass sie wussten, wo es geschehen war, wo er für seine kleine Prinzessin das Verließ der Angst errichtet hatte.
Irgendwo quietschte eine der Kellertüren. Eilige Schritte entfernten sich vom Waschkeller Richtung Treppe. Unwillkürlich verbarg er sich in einer dunklen Nische, hielt den Atem an und wartete, bis es wieder still geworden war. Dann durchstreifte er weiter das Labyrinth an Fluren und Gängen, sperrte mit seinem Werkzeug Türen auf und schloss sie wieder hinter sich. Die meisten, waren nur ins Schloss gezogen, nicht abgesperrt und ließen sich mit einer simplen Plastikkarte öffnen. Hier unten war es angenehm kühl. Neonlicht wies ihm den Weg. In der Luft lag der Geruch von Waschmittel und Weichspüler, Gummi und Schmiere. Nach und nach erkundete er die Heizungsanlage, den Waschkeller, die Trockenräume, den Fahrradkeller und den Raum mit der Klimaanlage und den Sicherungskästen. Niemand begegnete ihm. Weiter ging es mit der Werkstatt, die zur Hausmeisterstelle gehörte. Dann durchquerte er den Bereich, in dem die Kellerabteile der Hausbewohner untergebracht waren. Hier ganz sicher nicht. Bei seiner Suche entdeckte er einen geheimen Partykeller. Vermutlich hatten Jugendliche sich ihn eingerichtet. Eine Dartscheibe, alte Sessel, eine Matratze. Graffiti an den Wänden. Bierdosen auf dem Boden, Kippen überall.
Das alles war noch zu nah an den Bereichen, in denen sich häufig Hausbewohner aufhielten. Was er suchte, sollte abgelegener sein. Er öffnete eine weitere Tür. Grau gestrichenes Metall. Seine Finger fanden den Schalter. Das Neonlicht ging an. Vor ihm lag ein weiterer Flur. Ein schwacher Geruch nach Heizöl hing in der Luft. Plötzlich fiel es ihm ein. Hier war er richtig. Vor Jahren war die Heizungsanlage auf Fernwärme umgerüstet worden. Seither wurden die Öltanks nicht mehr genutzt. Die leer gepumpten Behälter befanden sich aber nach wie vor in einem Raum, den seit Jahren niemand betreten hatte. Nach kurzer Suche fand er ihn und öffnete mit einem Dietrich die Metalltür. Muffiger Geruch nach Öl und Staub schlug ihm entgegen. Die Leuchtstoffröhre funktionierte noch. Flackernd ging das Licht an. Sieben Tanks standen nebeneinander in einer aus Beton gegossenen Wanne, deren Wände schulterhoch waren. Davor befand sich reichlich Platz. Ein staubbedeckter Betonboden. Spinnweben überall. Ein winziges vergittertes Fenster jenseits der Tanks, ganz oben, dicht unter der Decke.
Der Raum war ideal. Es war nicht viel zu tun. Nur um das Fenster musste er sich kümmern und dann natürlich das Erforderliche installieren, für eine Matratze sorgen und das Schloss an der Tür austauschen, die Zugang zu diesem Bereich des Kellers gewährte.
Gut gelaunt verließ er das unterirdische Labyrinth, fuhr mit dem Aufzug nach oben in den Eingangsbereich und trat vors Haus. Die Sonne
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