Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
dreien nach. Eigentlich sollte sie auch aufbrechen. Jem und Manu beim Knutschen zuzugucken, war ihr irgendwie peinlich. Noch dazu, wo Lysander neben ihr saß. Sie stand auf. »Ich pack es dann auch.«
    Lysander reckte sich und erhob sich ebenfalls. »Ich begleite dich ein Stück. Ich muss zur U-Bahn. Ist das okay?«
    Wieder neigte er den Kopf und sah sie mit diesem fragenden Blick an. Und plötzlich wusste Lou, an wen er sie erinnerte. An Kaspar, den Beo ihrer Oma. Nur dass Kaspars Vogelaugen kreisrund und tiefschwarz waren, während Lysanders Augen die Farbe von Karamellbonbons hatten. Doch die Kopfhaltung war dieselbe. »Klar«, sagte sie und bemühte sich, es lässig klingen zu lassen, obwohl ihr das Herz plötzlich bis zum Hals schlug.
    Sie packte ihren Rucksack, kettete das Rad los und verabschiedete sich von Jem und Manu, die davon jedoch kaum etwas mitbekamen. Sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Schweigend ging sie neben Lysander über die Kiesbank Richtung Flauchersteg. Die Sterne waren vom Nachthimmel verschwunden und es brauchte eine kalte Böe, bis Lou verstand, woran das lag. Der Himmel war tiefschwarz bezogen. Ein Wetterleuchten machte Wolkenberge für einen Augenblick sichtbar. »Shit. Hoffentlich schaffe ich es vor dem Gewitter noch nach Hause.« Lou wollte sich auf das Rad schwingen. Doch Lysander griff nach ihrem Arm. »Nimm besser die U-Bahn.« Besorgt sah er nach oben. Erste Regentropfen fielen warm und schwer, trafen Lou im Gesicht, auf der Hand und landeten in ihren Haaren. Und dann öffnete der Himmel von einer Sekunde auf die andere seine Schleusen. Regen rauschte hernieder. »Komm, die U-Bahn-Station ist gleich da vorne.« Fünfzig Meter, schätzte Lou. Lysander spurtete los. Lou lief neben ihm her und konnte ihn in dem Schleier aus Tropfen beinahe nicht erkennen. Am Zugang zur Station nahm er ihr das Rad ab, trug es die Treppe hinunter ins Zwischengeschoss und weiter über die Rolltreppe auf den Bahnsteig. Genau in dem Moment, als sie unten ankamen, fuhr eine U-Bahn ein.
    Die Türen schlossen sich hinter ihnen. Lou lehnte sich atemlos an eine Trennwand. Wasser lief aus ihren Haaren. Um Lysanders Chucks bildeten sich kleine Pfützen. »Shit! Ich habe gar keine Fahrkarte!«
    »Dann fahr schwarz. Um diese Uhrzeit kontrolliert eh keiner.«
    »Aber wenn doch, dann wird das schweineteuer. Ich steige an der nächsten Station aus und kaufe mir ein Ticket.«
    »Wetten, dass niemand kommt.«
    Einerseits wollte sie vor ihm nicht als superkorrekt und spießig dastehen, andererseits hatte sie keine Lust, beim Schwarzfahren erwischt zu werden. Sie saß also in der Zwickmühle. Als ein freches Funkeln in seinen Augen erschien, waren mit einem Schlag alle Bedenken verschwunden. Der Reiz des Verbotenen verursachte Lou ein schaurig-schönes Kribbeln. »Gut. Warum?«, fragte sie und grinste ihn an.
    »Hm? Weiß nicht.« Lysander lehnte sich an die Trennscheibe neben sie. Seine Schulter berührte wie zufällig ihre und das jagte ihr den nächsten Schauer über den Rücken. Oder lag es eher an den nassen Haaren und feuchten Klamotten? Sie sah ihm direkt in die Augen. »Ganz spontan und ohne nachzudenken: Was kannst du absolut nicht ausstehen?«
    »Den Sommernachtstraum«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
    Ha! Lou hatte sofort eine Idee. Neulich, beim Spaziergang durch den Englischen Garten war ihr das Amphitheater aufgefallen. »Wenn du die Wette verlierst, wirfst du dich in ein Lysanderkostüm und führst eine Szene aus dem Sommernachtstraum vor. In diesem Freilufttheater im Englischen Garten. Vor allen. Also vor Jem und den anderen. Okay?«
    »Nee. Das ist nicht fair.« Lysander wand sich, doch dann willigte er ein, da er seine Chance, die Wette zu gewinnen deutlich höher einschätzte. Er beugte sich zu ihr. Ein Blick, der Lou ein Puddinggefühl in den Kniekehlen verursachte. »Ganz spontan: Wovor ekelst du dich am meisten?«
    »Spinnen.« Es war raus, ehe Lou nachgedacht hatte. Warum hatte sie nicht einfach Schokolade gesagt? Total dämlich!
    »Alles klar. Wenn du verlierst, dann besorge ich eine ganz dicke, eklig behaarte Riesenspinne und die musst du dann fünf Minuten in der Hand halten.«
    »Fünf Minuten! Das sind ja dreihundert Sekunden.«
    Es gelang ihr, ihn während der Fahrt auf eine Minute runterzuhandeln. Spinnen. Allein bei der Vorstellung, eine in der Hand zu halten, schüttelte es sie.
    Kurz vor der U-Bahn-Station Münchner Freiheit sah Lou wie zwei Männer, die blaue

Weitere Kostenlose Bücher