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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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dritten Jahr und war Jems Freundin. Auf dem Baumstamm daneben saß Lysander. Trotz der Hitze trug er eine schwarze Strickmütze. Sein glattes dunkles Haar quoll schulterlang darunter hervor. Er legte den Kopf schief. »Hi Lou.« Ein nettes Lächeln folgte. »Ist das die Abkürzung für Louise?«
    »Genau.« Sie legte den Rucksack auf den Boden. »Lysander… den Namen habe ich noch nie gehört.«
    Zwischen den Fingern drehte Lysander einen glatt geschliffenen Isarkiesel. »Mein Vater ist Prof für Englische Literatur und hat eine Marotte für Shakespeare. Genau wie meine Mutter. Sie haben mich nach einer Figur aus dem Sommernachtstraum benannt.« Er ließ den Stein fallen und hob den Blick. Wieder erschien dieses umwerfende Lächeln. »Meinen großen Bruder hat es schlimmer erwischt. Romeo. Das musst du dir mal geben. Mit Familienname heißen wir Klein. In der Schule wurde er immer als Klein Romeo aufgerufen. Das war ihm megapeinlich.«
    Klein Romeo! Lou musste lachen. »Der Arme. Hat er irgendwelche bleibenden Schäden davongetragen?«
    »Könnte man so sagen. Er hat sich auf die Seite der Macht geschlagen.«
    »Soll heißen?«
    »Er ist IT-Spezialist bei der Polizei.«
    »Echt?«
    »He, Lysander, können wir mal dein Feuerzeug haben.« Es war Bea, die das fragte. »Das Feuer will einfach nicht.«
    Bald knieten alle, auch Lou, um die Feuerstelle und pusteten in die schwach züngelnde Flamme, um so die Brettchen einer Obstkiste in Brand zu setzen. Mit vereinten Kräften gelang ihnen das. Lysander legte zwei Holzscheite nach, die kurz darauf knisterten. Jem steckte Bratwürste zum Grillen auf Spieße und verteilte sie. Einen reichte er Lou. »Magst du auch?«
    »Nee. Danke. Ich esse kein Fleisch.«
    »Willkommen im Klub.« Manu sagte das. »Ich bin auch Vegetarierin. Ich habe Zucchini und Paprika zum Grillen dabei. Magst du was abhaben?«
    »Gerne.« Lou hatte auf dem Heimweg von der Agentur türkisches Fladenbrot, Tomaten und Schafskäse besorgt. Im Wasser stand eine Plastiktüte voller Cola und Dosenbier zum Kühlen. Dort landeten vorerst auch das lauwarme Mineralwasser und die Dose Bier aus Lous Rucksack.
    Der Abend verging mit Baden, Essen und Gesprächen. Manu war nett und Lou war irgendwie erleichtert, dass Jem eine Freundin hatte und seine Aufmerksamkeit der letzten Tage ihr gegenüber einfach nur freundschaftlich und nicht mit irgendwelchen Hoffnungen verbunden war. Sie fand ihn zwar sympathisch, mehr war da aber nicht. Ganz im Gegensatz zu Lysander. Ab und an fing sie seinen Blick auf und jedes Mal ging er ihr durch und durch, stellten sich die Haare auf ihren Unterarmen unwillkürlich auf und ihr Herz schlug ein ganz klein wenig schneller. Dabei war er rein äußerlich gar nicht ihr Typ. Diese langen Haare hätte sie bei jedem anderen ätzend gefunden. Doch an ihm sahen sie einfach umwerfend aus. Und dazu die schwarze Strickmütze. Eigentlich lächerlich, mitten im Sommer. Für ihn schien sie wie gemacht. Die Nase war zu groß und das Kinn spitz, wie bei einem Mädchen. Doch bei ihm fügten sich die kleinen Makel zu einem stimmigen Bild. Irgendwie hatte er etwas Besonderes. Lou gefiel auch seine Art zu reden. So ruhig und überlegt. Er gehörte definitiv nicht zu den Typen, die dauernd blöd rumlaberten. Überhaupt war er anders als die Jungs, die sie aus Straubing kannte.
    Der Abend ging in eine milde Sommernacht über. Die Familien mit kleinen Kindern packten zusammen. Der Geräuschpegel ebbte ab, bis das Rauschen der Isar hörbar wurde und auch das Zirpen der Grillen. Als der Mond hoch am Himmel stand, holten Mark und Bea Gitarre und Bongos hervor. Lou war glücklich. Noch vor ein paar Tagen hatte sie keine Menschenseele in München gekannt. Und jetzt war sie auf einer Party mit total netten Leuten und einem supersüßen Typen. Kurz darauf saßen alle ums Feuer und sangen einen Adam-Green-Song. Lou kannte den Text nicht, hatte ihn aber schnell drauf. I wanna dance with Emily. Dave, der aussah, wie ein Beamtensohn, hatte nicht nur eine tolle Stimme, er traute sich auch zu singen. Weiter ging es mit Banana Pancakes von Jack Johnson und dann quer durch die skandinavischen Indi-Bands, bis sie schließlich bei den alten Dylan-Songs landeten.
    Die Luft wurde kühl, ein leichter Wind kam auf. Sie rückten am Feuer näher zusammen. Der Gesang verebbte und nach und nach auch die Gespräche. Jem und Manu knutschten. Mark und Bea verabschiedeten sich um kurz nach halb zwei. Dave schloss sich ihnen an. Lou sah den

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