Dein Blick so kalt
zu Julians Büro passierte, sah sie, wie seine Hand auf Sylkes Po lag, während er ihr an der Magnetwand etwas zeigte. Lou fing Sylkes Blick auf. Und für eine Sekunde stand ihr die Wahrheit ins Gesicht geschrieben. Blanker Schrecken. Sie fand das genauso eklig wie Lou. Doch als Sylke Lou bemerkte, verwandelte sich der angewiderte Gesichtsausdruck im selben Moment in ein mühsam triumphierendes Lächeln. Sie wollte nicht zugeben, dass Julians Tatschereien sie ebenso verunsicherten wie Lou. Nur nicht mit der Konkurrentin auf einer Stufe stehen. Sylke mit Üps würde sich, egal was auch geschah, immer für die Bessere, die Überlegenere halten und in Lou nie etwas anderes sehen als das Mädchen, das keinesfalls den Ausbildungsplatz erhalten sollte.
Bis Freitag hatte Lou kaum etwas mit Julian zu tun. Die Stimmung in der Kreativabteilung war gut. Mit Peter, Jem und Mike kam sie klar und auch der Kontakt zu Sylke wurde ein wenig besser. Jedenfalls versuchte sie nicht weiter, einen Zickenkrieg zu entfachen, seit sie gemerkt hatte, dass Lou sich nicht provozieren ließ. Vielleicht hatte sie aufgegeben, vielleicht suchte sie aber auch nach einer neuen Taktik. Oder sie glaubte tatsächlich, dass die Sache dadurch entschieden wurde, wer sich von Julian betatschen ließ.
Peter holte sie aus diesen düsteren Gedanken. »Sag mal Lou, hast du Ahnung von Webdesign?«
»Geht so. Ich habe mal eine Website gemacht: Veggie-Bürger. Allerdings mit einem Template aus dem Netz.«
»Traust du dir das in Photoshop zu?«
Ups. Photoshop konnte sie zwar einigermaßen, doch Screendesign hatte sie damit noch nie gemacht. »Wenn du mir sagst, worauf ich achten muss.«
»Ist eigentlich nicht so wild. Das Basisdesign steht. Du müsstest es nur für die unterschiedlichen Screens und Zustände adaptieren. Echte Sklavenarbeit.« Bei diesen Worten grinste er. »Du schaffst das schon. Ich erkläre es dir.«
Es ging um den Internetauftritt der Schmuckdesignerin Beatrice von Birlow, einer guten Bekannten von Julian Döhrig und auch seine Trauzeugin. Ihr Chef war also verheiratet. Sieh mal an.
Peter erläuterte Lou den bereits gestalteten Startscreen und die Userführung, gab ihr eine Skizze mit der Struktur der Site und zeigte ihr, wie er mithilfe von Ebenensätzen für Ordnung in Webdesign-Dokumenten sorgte, die mitunter hundert und mehr Elemente enthielten.
Lou machte sich an die Arbeit, verhedderte sich erst einmal in den verschiedenen Ebenen und Ebenensätzen und geriet in Panik. Als Sylke mitbekam, dass Lou schwamm und nachfragen musste, bekam sie Oberwasser. »Webdesign ist doch echt nicht schwer. Die Website für die Hotelkette meiner Eltern habe ich natürlich selbst gemacht. Also Peter, ich kann das gerne übernehmen, wenn Lou sich derart anstellt.«
Peter sah hoch. »Darf man mal erfahren, wie diese Hotelkette heißt, oder ist das top secret?«
Ihm war also auch aufgefallen, dass Sylke zwar ständig behauptete, alles für diese Kette gestaltet zu haben, aber nie den Namen nannte.
»Townhouse. Habe ich das noch nicht erwähnt?«
»Townhouse also. Ich gucke mir das bei Gelegenheit mal an. Vorerst soll Lou allein versuchen, mit ihrer Aufgabe klarzukommen. Ich denke, sie bekommt das auf die Reihe. Wenn nicht, komme ich auf dein Angebot zurück.«
Lou warf Peter einen bösen Blick zu. Sie würde das schon schaffen. Jetzt erst recht!
Sie kämpfte so lange mit dem Programm, bis sie endlich kapierte, dass man Ebenen und Ebenensätze mit einem Klick unsichtbar machen und so die verschiedenen Zustände der Seiten simulieren konnte. Danach ging es besser. Was Sylke konnte, konnte sie schon lange. Da sie sich keine weitere Blöße geben wollte, suchte Lou im Netz nach einem Webdesign-Tutorial und arbeitete es durch.
Kurz vor der Mittagspause rief Julian Lou zu sich ins Büro. Es ging um die Bildauswahl für die Website der Schmuckdesignerin. Lou fragte sich, warum er das nicht mit Franziska oder Peter besprach. Sie war schließlich nur Praktikantin.
Wieder ließ sie die Tür offen und ging zu ihm an den großen Besprechungstisch. Dutzende großformatige Ausdrucke lagen darauf verstreut. Stapel mit Snowboard-, Skibrillen- und Handschuhfotos. Aufnahmen mit Models in Boarder-Outfits, die erst im Winter in die Läden kamen. Langhaarige Schönheiten mit Strahle-Lächeln. Julian schob sie beiseite und besprach mit Lou die Auswahl der Schmuckbilder für die Website, als wäre sie nicht der Hiwi, sondern eine ernst zu nehmende Gestalterin. Und das
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