Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
Vom Netzwerk:
seine Kollegen! Deshalb musste er jetzt in Lous Wohnung. Der Schlüssel hing an seinem Bund. Doch damit kam er nicht ins Haus. Er wartete ungeduldig davor, bis eine Frau mit einem Kinderwagen herauskam. Er hielt ihr die Tür auf und schlüpfte hinter ihr hinein. Durchs Treppenhaus rannte er in die dritte Etage und erreichte atemlos Lous Appartement. Der Flur lag verlassen vor ihm. Aus der Nachbarwohnung drang Radiomusik. Irgendwo bellte ein Hund. Jemand fuhr mit dem Lift nach unten. Das leise Rumpeln klang durchs Treppenhaus. Lysander zog den Schlüssel hervor und öffnete die Tür. Sie war nur zugezogen. Lou hätte zweimal abgesperrt. Ganz sicher! Plötzlich der Gedanke: Wenn sie hier lag, hilflos und verletzt? Seit Stunden, eine ganz Nacht! Hastig sah er sich um. Doch sie war nicht da.
    Etwas war anders als bei seinem bisher einzigen Besuch bei Lou, als er ihr geholfen hatte, das Schloss zu wechseln. Ihre Klamotten fehlten. Ebenso wie die Zahnbürste und alle Kosmetiksachen. Es sah so aus, als sei sie tatsächlich für ein paar Tage weg.
    Lysander setzte sich auf die Bettkante. Er war hierhergekommen, um sich zu vergewissern, dass all ihre Sachen da waren. Was sollte er Meo nun sagen? Wie sollte er ihn überzeugen, dass sie nicht freiwillig verschwunden war, dass die Polizei nach ihr suchen musste? Man würde ihn fragen, ob er überall nach ihr gesucht hatte. Also zog Lysander sein Handy hervor und scheuchte Jem auf. Der hatte, wie schon vermutet, auch keine Ahnung, wo Lou sein könnte. Seit sie die Agentur Hals über Kopf verlassen hatte, hatte er nichts von ihr gehört. Nacheinander rief er Mark, Bea und Dave an und auch Manu. Doch niemand hatte einen Plan, wo Lou abgeblieben war.
    Frustriert steckte Lysander das Handy wieder ein, starrte auf den Boden, sammelte die Argumente zusammen, mit denen er Meo überzeugen könnte. Die Mails, die SMS, die nicht von ihr sein konnte. Seiner Meinung nach. Die ausgespähten Mailadressen. Würde das Meos Kollegen überzeugen?
    Sein Blick haftete schon eine ganze Weile auf einigen Krümeln auf dem Teppichboden. Jetzt erst nahm er sie bewusst war. Vor einigen Wochen hatte er für seine Ma einen Spiegel an die Wand gedübelt. Putz, Mörtel und Betonstaub, die beim Bohren aus der Wand gebröselt waren, sahen genau so aus wie das hier. Lysander hob den Kopf. Über ihm befanden sich drei Löcher in der Decke. Ein schwacher Rand zeigte an, dass hier bis vor Kurzem etwas gehangen hatte. Nur was? Er versuchte, sich zu erinnern. Eine Lampe? Nein. Und dann wusste er es plötzlich. Ein Rauchmelder. Dort hatte ein Rauchmelder gehangen.
    Weshalb war der jetzt weg? Und sogar die Dübel, mit denen er angebracht worden war?
    Ich bin bei dir. Immer an deiner Seite.
    Lysander stöhnte. War das wirklich ein Rauchmelder gewesen? Er zog sein Handy hervor, ging online und googelte »Rauchmelder + Überwachungskamera«. Nach zwei Minuten hatte er sie gefunden. Sah aus wie ein Rauchmelder, war aber eine Videokamera. So ein Teil hatte hier gehangen. Und nun war es weg. Genau wie Lou.

49
    Als Lou aufwachte, wurde sie von gleißender Helligkeit geblendet. Das Licht stach ihr wie glühende Nadeln direkt ins Hirn. Sie stöhnte, kniff die Augen reflexartig zu und kämpfte gegen den Brechreiz an, der in ihrer Kehle aufstieg.
    Was war los mit ihr? Sie fühlte sich sterbenselend. Ihr Bett war so hart und kalt. Wo war die Decke? Mit tastenden Fingern suchte sie danach. Doch da war nur kalte Glätte. Kalt und hart wie Beton.
    Langsam wurde sie wacher. Mühsam öffnete sie ein Auge einen Spaltbreit. Wieder wollte Licht ihren Schädel zum Explodieren bringen. Sie stöhnte, blinzelte und erkannte, dass sie auf grauem Beton lag. Wieso denn? War sie etwa zusammengeklappt?
    In ihrem Sichtfeld stand eine Flasche Mineralwasser. Erst jetzt merkte sie, wie staubtrocken ihr Mund war. Ganz ausgedörrt. Langsam setzte sie sich auf, öffnete vorsichtig die Augen und wartete, bis sie sich ans Licht gewöhnt hatten.
    Wo war sie?
    Was war passiert?
    Grauer Beton. Neonröhren. Eine Mauer. Dahinter Öltanks. Schwacher Heizölgeruch lag in der Luft. Sie war in einem Heizkeller. Wie war sie hierhergekommen?
    Sie hatte keinen blassen Schimmer. Was war passiert? Sie versuchte, sich zu erinnern.
    Julians Hand an ihrem Po. Sie hatte das Praktikum geschmissen. Der Lieferwagen. Lysander. Sie war heimgeradelt, um zu duschen, bevor sie sich mit ihm traf. Sie war in den Lift gestiegen. Die Türen schlossen sich bereits, doch jemand huschte

Weitere Kostenlose Bücher