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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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noch herein. Das war die letzte Erinnerung. Danach musste sie zusammengeklappt sein. So wie damals, als sie sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen hatte, und im Bad zusammengeklappt war. Wie um alles in der Welt war sie in diesen Heizungskeller gelangt?
    Ihre Zunge lag in ihrem Mund wie ein Stück trockenes Holz. Der Durst wurde übermächtig. Noch immer benommen, griff Lou nach der Mineralwasserflasche. Sie war voll und zischte, als Lou den Deckel abschraubte. Gierig setzte sie die Flasche an die Lippen und trank sie in hastigen Zügen halb leer.
    Sie war also zusammengeklappt und hatte sich hierhergeschleppt, irgendwie… Halt. Stopp! Adrenalin jagte durch ihren Körper, vertrieb mit einem Schlag die Benommenheit. Die Wasserflasche. Sie stand nicht zufällig hier herum. Ein Heizungskeller war ja kein Vorratsraum. Jemand hatte sie hingestellt. Für sie!
    Lou sprang auf. Schlagartig wurde ihr übel. Alles drehte sich. Ihr kam Galle hoch und sie erbrach das eben getrunkene Wasser in eine Ecke. Schweiß trat aus allen Poren und legte sich wie ein kalter Film auf ihre Haut. Ihre Knie zitterten. Sie fühlte sich so schwach, dass sie sich an der Wand hinab auf den Boden gleiten ließ. Nicht noch einmal umklappen. Für ein paar Sekunden schloss sie die Augen. Das Schwindelgefühl ließ etwas nach. Plötzlich war ihr kalt. Sie umfasste mit den Händen ihre Arme und ertastete eine knubbelige Stelle, die schmerzte und brannte. Es fühlte sich so an wie früher, wenn Mam mit ihr zum Impfen gegangen war. So gut wie immer hatte sie danach einen solchen Knubbel gehabt.
    Der Lift. Wieder sah sie, wie sie einstieg, den Knopf drückte. Jemand huschte noch herein. Eine Hand. Dann ein Schmerz im Arm. Danach war alles weg.
    Lou öffnete die Augen, schob den Ärmel hoch und besah sich die Stelle. Sie war gerötet, geschwollen und fühlte sich heiß an. In der Mitte erkannte sie einen kleinen dunklen Punkt. Eine Einstichstelle. Jemand hatte ihr eine Spritze in den Arm gejagt. Deshalb war sie zusammengeklappt. Deshalb war sie hier. Im Heizungskeller. Gefangen. Sie wusste es, bevor sie aufstand und zur Tür wankte. Graues Metall. Ein Griff. Sie rüttelte daran. Vergeblich.
    Ich bin bei dir. Immer an deiner Seite.
    Dieser Mistkerl! Dieses Arschloch! Dieser Dreckskerl! Er hatte sie überrumpelt, mit einer Spritze betäubt und in diesen Keller geschleppt. Lou wollte ihrer Wut freien Lauf lassen, denn sie spürte die Angst, die in ihr lauerte wie eine fette Spinne, bereit, sie in ihrem Netz zu fangen und mit ihren klebrigen Fäden einzuspinnen, bis sie nur noch ein hilfloses Bündel war. Wut war besser als Angst. Lou rappelte sich auf, wankte zur Tür. Sie trommelte mit den Fäusten dagegen und schrie um Hilfe. Dann lauschte sie, legte das Ohr ans kalte Metall und hörte nur das Rauschen ihres Blutes. Ihr Herz schlug kräftig und gleichmäßig. Sie würde das hier überstehen. Sie würde heil hier rauskommen. Und dafür brauchte sie einen Plan.

50
    Ich bin bei dir. Immer an deiner Seite. Das ist nicht einfach ein hohler Spruch. Er hat sie überwacht. Mit einer Videokamera. Lous Vermutung, dass noch jemand einen Schlüssel hat, war also richtig. Deshalb hat sie sich ein neues Schloss gekauft und ich habe ihr geholfen, es einzubauen. Und jetzt ist sie weg. Einfach verschwunden.«
    »Die Kamera auch?«, fragte Meo.
    Lysander hatte Meo gar nicht erst angerufen, sondern ihn an seinem Arbeitsplatz im Präsidium einfach überrumpelt. Nun standen die beiden in der Fensternische des Flurs im dritten Stock des Polizeipräsidiums München und Lysander versuchte, seinem Bruder klarzumachen, dass Lou nicht irgendwo untergekrochen war, um für ein paar Tage allein zu sein. »Das hätte sie schließlich auch in ihrer Wohnung tun können. Allein sein. Sich zurückziehen. Dafür brauchte sie nicht ihre Sachen zu packen und abzuhauen. Das macht einfach keinen Sinn.«
    »Ist die Kamera auch weg?« Meo wiederholte seine Frage.
    »Ja. Die ist weg. Er hat sie abmontiert. Sogar die Dübel hat der Kerl mitgenommen.«
    »Du weißt also nicht, ob tatsächlich eine Kamera im Rauchmelder versteckt war.«
    Meo fing jetzt genauso an wie dieser Märtig vor zwei Tagen. Die Polizei musste endlich was tun. Sie mussten Lou suchen. Mit Hubschraubern. Einer Hundestaffel. Einem Suchtrupp. Die Medien mussten informiert, ein Aufruf gestartet werden. Und was tat Meo? Haare spalten! In Lysander brannte eine Sicherung durch. Er packte seinen Bruder am Shirt und zog ihn zu sich heran.

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