Dein Blut auf meinen Lippen
Romeo!"
"Noch ein schäbiges Wort über Rosalinde, und du hast eine Faust im Gesicht", drohte Romeo, riss Mercutio eine Knoblauchkette aus der Hand und hängte sie sich um den Hals.
"Willst du ihn nicht lieber damit bearbeiten?" Benvolio holte eine Brechstange aus dem Beutel und hielt sie seinem Cousin vors Gesicht.
Romeo runzelte die Stirn. "Was habt ihr denn noch alles mitgebracht?"
"Nur die Standardausrüstung für den Umgang mit Vampiren - Handsäge, Holzpflöcke, Meißel, Scheren und ein paar Äxte", antwortete Mercutio mit ernster Stimme.
"Das wird wohl reichen", kommentierte Romeo trocken.
"Wenn wir so viel Zeug mitschleppen, kommen wir doch gar nicht voran! Schnappt euch jeder eine oder höchstens zwei Waffen, und dann folgt mir." Nach diesen Worten kroch Benvolio aus dem Gebüsch. Die Knoblauchzwiebel baumelte vor seiner Brust, und in der Hand hielt er immer noch die Brechstange.
Romeo klemmte sich einen Meißel und einen Holzpflock unter den Hosenbund und folgte dann rasch Mercutio, der bereits zusammen mit Benvolio zügig auf das Schloss zuging.
Romeos Herz begann zu klopfen, als er sich mit den anderen dem Tor zum Schlosspark näherte. Um sicherzugehen, dass sie unbemerkt blieben, behielt er die Turmwächter im Auge. Glücklicherweise schien niemand davon Notiz genommen zu haben, dass sich Eindringlinge vom Clan der Montagues Zutritt zum Anwesen der Capulets verschaffen wollten. Offenbar taten die geweihten Knoblauchzwiebeln ihre Wirkung.
"Hier ist es", flüsterte Mercutio und blieb an einem verbogenen Gitterstab des Tores stehen. "Maribel hat gesagt, wenn sie sich heimlich mit mir trifft, geht sie hier rein und raus, um nicht von den Wachen entdeckt zu werden."
Benvolio untersuchte das verbogene Gitter und lachte leise. "Offenbar ist sie nicht so verfressen wie deine Verflossene. Die hätte hier niemals durchgepasst."
Mercutio rammte ihm den Stiel eines Holzhammers in den Bauch. "Genau wie du, Fettsack!"
"Hört auf herumzualbern und geht zur Seite." Romeo nahm Benvolio die Brechstange ab und umklammerte das untere Ende mit beiden Händen. "Oder wollt ihr nun doch nicht auf das Fest?"
Ohne Lärm zu machen und damit die Wachen auf den Plan zu rufen, führte Romeo das Brecheisen neben der verbogenen Stange durch das Gitter und setzte sie am Stab daneben an, um eine Hebelwirkung zu erzielen. Dann beugte er sich vor und zurück und versuchte so, die Gitterstäbe weiter auseinanderzudrücken, damit er und die beiden anderen hindurchschlüpfen konnten. Doch seine Bemühungen zeigten so gut wie keinen Erfolg.
Er versuchte es noch einmal und stemmte dieses Mal die Beine ans Tor, um noch mehr Kraft zu entfalten. Vor Anstrengung begannen seine Hände zu schwitzen, und die Arme taten ihm weh; aber er ignorierte den Schmerz und dachte an Rosalinde - an ihre herrliche schneeweiße Haut und die strahlend blauen Augen. So kurz vor dem Ziel würde er sich von nichts und niemandem daran hindern lassen, zu ihr zu gelangen.
Schließlich mobilisierte er all seine Kräfte und zerrte mit einem gewaltigen Ruck an dem Brecheisen. Dieses Mal gab der lädierte Gitterstab nach und verbog sich so weit, dass er fast durchbrach.
"Ah, ich hab’s geschafft!" In Siegerpose reckte Romeo eine Faust in die Luft.
"Herzlichen Glückwunsch! Lange genug hat es ja gedauert." Gereizt verdrehte Benvolio die Augen.
"Also los jetzt", drängte Mercutio.
"Mir nach!" Romeo gab Benvolio das Brecheisen zurück und stieg als Erster durch das Gitter. Die anderen beiden folgten ihm. Alle drei bewegten sich so schnell und leise, wie sie konnten.
"Hier draußen ist es so dunkel, dass ich kaum etwas sehen kann", sagte Romeo. Nur der gelbe Schein aus dem Dienstbotenzimmer bot ihnen ein wenig Licht, um sich im Park zu orientieren.
Plötzlich blieb Mercutio wie angewurzelt stehen. "Stopp! Habt ihr das gehört?", flüsterte er.
"Was denn?", fragte Romeo.
"Es klang wie ... ein Knurren."
Romeo stand ganz still und horchte. Abgesehen vom Rascheln der Laubbäume konnte er aber nichts hören. "Es ist nur der Wind, Mercutio. Lass uns weitergehen."
Die drei setzten ihren Weg fort und bewegten sich mit großen Schritten auf das Schloss zu. Sie waren jedoch noch nicht weit gekommen, als Benvolio abrupt stehen blieb.
"Mercutio hat recht", flüsterte er. "Da ist irgendwas. Ich glaube, wir werden beobachtet."
Augenblicklich nahm Benvolio eine Kampfhaltung ein: Er stellte die Beine auseinander, um besseren Halt zu haben, und hielt die
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