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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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ihn zu zerfetzen, und wir waren die Hauptdarsteller in seinen Alpträumen vom Verfolgen und Einholen und weiteren Verfolgen und Einholen, und vielleicht sind wir seitdem wiederholtes Blei auf seiner Seele.‹ Denn ›das wissen sogar die Träume, daß man gewöhnlich eingeholt wird, und sie wissen es seit der Ilias ‹, wie Tupra mir in jener Nacht gesagt hatte, als wir etwas später still in seinem Auto saßen, gegenüber von meinem Haus, wo mich, wie er glaubte, jemand erwartete, doch da war niemand, nur die eingeschalteten Lichter und vielleicht der Tänzer von gegenüber.
    Da tat ich drei schnelle Schritte und sprach ihn an. Ich steckte den Kopf durch die Bürotür und sagte ungezwungen, beinahe jovial:
    »Na, wie läuft’s, Rafita? Du siehst schon wieder viel besser aus.« Und damit er sah, daß ich die Formen zu wahren gedachte und nicht in gewalttätiger oder streitsüchtiger Absicht kam, fügte ich sogleich hinzu: »Entschuldige bitte die Unterbrechung. Möchtest du mich nicht vorstellen?« Und ich ging schnurstracks auf Professor Rico zu, der keine Anstalten machte, sich zu erheben, er beschränkte sich darauf, den Arm zu heben wie früher die Damen und mir die Hand entgegenzustrecken, so weit er konnte, ohne sich zu bewegen, seine Hand war vornehm und seine Manschetten waren ausgesprochen fein, mindestens von Cuprì oder Sensatini, große Marken, ich drückte sie verbindlich (die Hand). Und da De la Garza nicht reagierte oder antwortete und immer noch kein Wort sagte (er sah mich nur entsetzt an: Er hatte derartige Angst vor mir, daß er sich meiner Annäherung an Rico nicht widersetzte, tatsächlich würde er mich an gar nichts hindern, mir wurde klar, daß ich tun konnte, was ich wollte), brachte ich selbst meinen Namen vor: »Jacques Deza, Jacobo Deza. Sie sind Don Francisco Rico, nicht wahr? Der berühmte Gelehrte.«
    Es befriedigte ihn, sich erkannt zu wissen, und er ließ sich dazu herbei, mir zu antworten, sicher nur aus diesem Grund, denn sein Verhalten insgesamt signalisierte nicht das geringste aufrichtige Interesse (wer auch immer ich auch sein mochte, letztlich haftete mir das Stigma an, mit dem rappenden Attaché in Verbindung zu stehen).
    »Deza, Deza … Sind Sie nicht ein Freund oder Bekannter oder Schüler … ea , na, irgendsowas … von Sir Peter Wheeler? Ihr Name kommt mir bekannt vor.« Die beiden waren wichtige Persönlichkeiten und Forscher, ich wußte, daß sie einander kannten und schätzten.
    »Ja, Professor, ich bin ein guter Freund von ihm.«
    »Der Name kam mir bekannt vor. Ich wußte, daß da etwas war. Er wird Sie irgendwann erwähnt haben. Warum, keine Ahnung. Aber er kam mir bekannt vor«, sagte er, zufrieden über sein gutes Gedächtnis.
    De la Garza schenkte diesem hohlen Austausch keine Beachtung. Er hatte sich von dem Platz entfernt, an dem ich stand, hatte sich hinter seinen Tisch gestellt, als wollte er sich dahinter verschanzen und Reißaus nehmen, sobald es sich als nötig erwies.
    »Was zum Teufel willst du?« fragte er mich auf einmal. Aber trotz des Kraftausdrucks war sein Ton nicht feindselig oder barsch, eher flehentlich, als ob ihn nur eines interessierte, nämlich mich wie durch Zauberkraft aus den Augen zu verlieren (der schlimme Anblick sollte verschwinden, der böse Traum), und als ob er mit aller Kraft wünschte, daß ich antwortete: ›Ich gehe schon wieder. Nichts will ich. Ich war gar nicht da.‹
    »Nichts, Rafita, ich wollte mich nur vergewissern, daß du dein Mißgeschick gut überstanden hast, ohne bleibende Schäden. Ich war gerade in der Gegend, und da habe ich mir gedacht, gehe ich doch mal kurz fragen, ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht. Es ist nur ein kleiner Freundschaftsbesuch, ich bin gleich wieder weg, du kannst ganz beruhigt sein. Geht es dir denn gut? Bist du ganz wiederhergestellt? Es hat mir sehr leid getan, was dir da passiert ist, ehrlich.«
    »Was war das? Was für ein Mißgeschick?« schaltete sich Rico mit skeptischer Miene ein. »Was dir auch widerfahren sein mag, nach dem, was wir hier gesehen und gehört haben, war es noch zu wenig«, fügte er wie für sich hinzu, es war jedoch ganz deutlich zu hören.
    Aber Rafita achtete nicht auf die rüde Bemerkung, für ihn waren der Professor und sein Ärger in den Hintergrund gerückt, er war zu sehr mit mir beschäftigt, wachsam, angespannt, als befürchtete er, ich könnte ihm jeden Augenblick wie ein Tiger an die Gurgel gehen. Für mich war das ein merkwürdiges Gefühl,

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