Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
wie eine Minderjährige behandelt, nur daß ich nicht zu dem Galan gegangen war, um ihm Geld anzubieten, damit er ihr fernblieb, wie es vielleicht in der Tradition der wohlhabenden und autoritären Erzeuger jener Epoche gelegen hätte, vielmehr hatte ich ihm mit dem Tod gedroht und Gewalt an ihm geübt. Das alles fing an, mir unglaublich vorzukommen, wie hatte ich mich so verhalten können, ohne einen Hauch von Gewissensbissen, wie ein Wilder oder ein überzeugter Anhänger des pragmatischen Gedankens, daß das, was zu tun ist, am besten getan wird, und dann ist es so, und daß dann, was auch immer hinterher geschieht, das Wesentliche bereits getan ist und es keinen Weg zurück mehr gibt (›I have done the deed‹ oder ›The deed is done‹). Offiziell wußte ich nichts von Custardoy, nicht ihr gegenüber, eigentlich gegenüber niemandem mit Ausnahme ihrer Schwester Cristina, ich mußte sie von London aus ein weiteres Mal anrufen, um sie zu warnen, wenn sie von ihrer Abwesenheit zurück war, ich konnte mich nicht erinnern, ob sie von einer Woche gesprochen hatte oder von etwas mehr, tatsächlich hatte ich es schon während der letzten Tage meines Madrid-Aufenthalts täglich bei ihr probiert, auf gut Glück, aber ohne Erfolg, ich hatte nicht einmal mit ihrem Mann sprechen können, um etwas in Erfahrung zu bringen; und während der ersten Tage nach meiner Rückkehr setzte ich meine Versuche fort, ich probierte es zu verschiedenen Tageszeiten, bis ich sie endlich zu Hause antraf.
›Cristina, ich bin’s, Jacques, dein Schwager Jaime‹, sagte ich, als sie beim x-ten Versuch den Hörer abnahm. ›Ich bin schon wieder in London, aber ich wollte dich über etwas Wichtiges informieren. Hast du mit Luisa geredet?‹
›Nein, noch nicht, ich bin gerade erst angekommen, meine Reise hat etwas länger gedauert. Wieso? Ist etwas passiert?‹
›Nichts Schlimmes. Während meines Aufenthalts in Madrid habe ich der Geschichte zwischen diesem Custardoy und ihr einen Riegel vorgeschoben, glaube ich jedenfalls, man wird noch etwas abwarten müssen, um sicher sein zu können.‹
›Ach ja?‹ antwortete sie neugierig und mit unüberhörbarer Billigung. ›Wie denn? Was hast du gemacht? Hast du mit ihm gesprochen, hast du mit ihr gesprochen? Erzähl schon.‹
›Genau das wollte ich dir sagen, daß es besser ist, wenn du nichts davon erfährst, und vor allem darf Luisa nichts davon erfahren. Ich meine, sie soll nicht einmal erfahren, daß ich von etwas wußte, daß du mir davon erzählt hast. Die Sache ist vorbei oder steht kurz davor. Ich will unbedingt vermeiden, daß sie irgendwann Verdacht schöpft, ich hätte etwas damit zu tun gehabt. Soweit es sie angeht, weiß ich noch nicht einmal, daß es diesen Custardoy gibt, sie hat ihn mir gegenüber ja nie erwähnt, und das soll sie auch weiter glauben. Jetzt und in alle Ewigkeit. Wenn du ihr eines Tages von unserer Unterredung berichtest, und wenn es in zehn Jahren ist, dann zählt sie vielleicht eins und eins zusammen, und in dem Fall würde sie nie wieder ein Wort mit mir wechseln, trotz der Kinder. Und mit dir sicher auch nicht. Zwar habe ich mich darum gekümmert, aber sie würde höchstwahrscheinlich denken, daß du daran Anteil hattest, daß du mich aufgehetzt oder angestiftet hättest, so zu handeln, wie ich es getan habe. Das verstehst du doch, oder? Wenn du mich verrätst, würde auch ich nicht zögern, dich zu verraten.‹
Cristina verstand mich ohne Zweifel. Aber sie war noch immer neugierig.
›Aha, so einer bist du also, ist es so zur Sache gegangen? Keine Sorge, wenn du es geschafft hast, bin ich die erste, die sich darüber freut, und ich werde nichts tun, was deinen Erfolg gefährden könnte. Aber wenn wir beide schweigen, spielt es doch keine große Rolle, wenn ich alles erfahre, oder? Was hast du zu dem Typen gesagt? Was hast du mit ihm gemacht? Komm schon, sag mir, wie du gehandelt hast, wenn es schon durch meine Anstiftung dazu gekommen ist.‹
›Wie gesagt, es ist besser, keinen Wind darum zu machen. Mir ist lieber, wenn er der einzige bleibt, der es weiß, der einzige, der Luisa durch eine ungünstige Fügung davon erzählen könnte, wenn sie sich irgendwann über den Weg laufen und sie ihn in die Enge treibt, aber ich glaube nicht, daß er das tun würde, es würde ihm nichts einbringen, sein Wort würde gegen meines stehen, niemand könnte es bestätigen. Nicht, daß ich dir mißtrauen würde, dir jetzt. Aber man kann nie wissen. Eines Tages könntest
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