Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied
Sir Peter Wheeler am Fluß Cherwell in Oxford: ›Manchmal dauert sie nur Tage, die Wirkung dieser Zeit, und manchmal dauert sie für immer.‹
»Aber wenn dieser Typ einem alten und wehrlosen Mann nicht die Schulden erläßt«, sagte ich zu Pérez Nuix, nachdem wir beide ein paar Sekunden geschwiegen hatten, ich hatte die rechte Wange in die Faust gestützt, während ich ihr zuhörte, und so hielt ich sie noch, mir wurde bewußt, daß sie dasselbe getan hatte, während sie zu mir sprach, beide in genau gleicher Haltung, wie ein altes Ehepaar, das voneinander die Gestik übernommen hat, »wenn du ihn brutaler Aktionen fähig glaubst und das im Hinblick auf deinen Vater am meisten von ihm befürchtest, und wenn er obendrein kein Typ ist, in dem man sich täuscht, wie du mir schon vor einer Weile gesagt hast (›ich weiß es, ich kenne ihn‹, hast du gesagt), dann sehe ich nicht, wie ich Tupra dazu bringen könnte, nicht wahrzunehmen, was für ihn offensichtlich sein wird. Vielleicht unterstellst du mir Gaben, die ich nicht besitze, oder allzu großen Einfluß, oder hältst Bertram für einen Schussel oder einen Einfaltspinsel, was ich nicht glaube. Er ist sehr viel erfahrener als ich und versierter und scharfsinniger. Und auch als du, sicherlich. Ich meine, erfahrener.« Ich äußerte diese unnötige Klarstellung im Gedanken an die Meinung, die Tupra selbst von ihren Fähigkeiten hatte, Wheeler zufolge, und weil ich sie nicht herabsetzen wollte. Doch sie ging auf das indirekte Kompliment nicht ein.
»Nein, du hast mich nicht ganz verstanden, Jaime«, antwortete sie mir abermals mit ihrem verzweifelten oder ungeduldigen Ton, aber sie unterdrückte ihn sofort. »Ich habe das noch nicht klar genug ausgedrückt, als ich dir das gesagt habe. Ich habe Incompara gesehen, ja, ich habe mich mit ihm schon zweimal getroffen, um zu sehen, was ich ihm abhandeln kann, was sich für meinen Vater tun ließe, und um zu versuchen, ihn zu beruhigen und Zeit zu gewinnen, um zu sehen, was ihn interessiert und ob ich irgendeine Verhandlungsmasse in der Hand habe, von der ich nichts wußte, und es stellte sich heraus, daß ich das habe. Wenn du mir hilfst. Ja, er ist kein Typ, in dem man sich leicht täuscht. Ich meine, man erkennt sofort, daß Skrupel ihm nicht viel gelten werden, wenn er sich mal über sie hinwegsetzen muß oder wenn es wirklich in seinem Interesse liegt. Auch seine anzunehmende Brutalität. Nicht so sehr in persönlicher Hinsicht (ich kann ihn mir nicht vorstellen, wie er jemanden verprügelt) als bei den Anweisungen, die er gibt, und bei den Entscheidungen, die er trifft. Man bemerkt seine Härte in Bezug auf Vereinbarungen, sein blindes Beharren auf dem Einhalten von Abmachungen, er ist eine Art Regelfetischist, obwohl das auch eine Inszenierung sein könnte, um seine Unnachgiebigkeit in meiner Sache vor mir zu rechtfertigen. Ein Beharren darauf, daß andere die Abmachung einhalten, nicht er selbst, versteht sich. Ein Merkmal übrigens, das heute vielen Leuten gemeinsam ist, nie hat man seinen beam im Auge so gerne und sichtbar getragen.« Hier fiel ihr nicht das spanische Wort für ›Balken‹ ein; das passierte ihr sehr selten, aber das eine oder andere Mal eben doch; sie war schließlich Engländerin, wie sie sagte. »Aber das alles ist nicht schlecht, nicht negativ oder abschreckend, soweit es darum geht, die Zuverlässigkeit von jemandem zu bewerten, auf den man als Geschäftspartner zählen möchte. Im Gegenteil, deshalb greifen andere ja auf ihn zurück und benutzen ihn, Leute wie Mr. Vickers, ein redlicher Mann, der sich einfach nicht mit wirren oder unangenehmen Details beschäftigen, der nichts von ihnen wissen will. Bertie wird natürlich das alles an Incompara erkennen, und du wirst ihm darin nicht widersprechen, weil du es ebenfalls bemerken wirst und weil es überflüssig wäre, ihm gegenüber etwas abzustreiten, was auf der Hand liegt. Natürlich ist Incompara mit Vorsicht zu genießen (sonst wäre meine Situation nicht so gravierend), und in diesen Fragen ist es nicht nur so, daß man sich kaum in ihm täuschen kann, sondern ihm selbst würde es sehr schwerfallen, das zu tun. Ich bitte dich nicht darum, daß du lügst, fast gar nicht, Jaime, schon gar nicht da, wo es nichts nützen würde. Keine Lüge nützt, wenn sie nicht glaubhaft ist. Na ja, wenn sie nicht geglaubt wird. Entschuldige, wenn ich so darauf herumreite, aber das, worum ich dich bitte, ist wenig, und das, was ich zu gewinnen habe,
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