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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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müssen.
    »Gut, gut, ich glaubte, du wüßtest es, ich hätte es geschworen. In der Tat: Es wundert mich sehr, daß es nicht so ist.«
    »Ich bitte Sie, Peter: Niemand weiß es, nicht in Oxford. Oder wenn, dann verschweigen sie es, dann haben sie es ungewöhnlich diskret verschwiegen. Glauben Sie, daß Aidan Kavanagh oder Cromer-Blake, Dewar oder Rook oder Carr, Crowther-Hunt oder Clare Bayes selbst es mir nicht erzählt hätten, wenn sie es gewußt hätten?« Sie alle waren Freunde oder nur Kollegen aus meiner Zeit in der Stadt, einige weniger klatschsüchtig als andere. Clare Bayes war auch meine Geliebte gewesen, ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen oder von ihr gehört, auch nicht von ihrem Sohn Eric, der sicher kein Kind mehr war, nicht mehr, er hatte sein Wachstum bestimmt abgeschlossen. Vielleicht würde sie mir nicht mehr gefallen, meine ferne Geliebte, wenn ich sie sehen könnte. Und ich auch nicht ihr, vielleicht. Besser, man sah sich nicht, besser so. »Wußten Sie es, Mrs. Berry?«
    Frau Berry zuckte ein wenig zusammen, aber dann zögerte sie nicht mit der Antwort:
    »Ja, ich wußte Bescheid. Aber Sie müssen bedenken, daß ich bei beiden Brüdern in Diensten stand, Jack. Und außerdem erzähle ich gewöhnlich nichts.« Wie alle Engländer, die Schwierigkeiten hatten, den Namen Jacques auszusprechen, und den spanischen nicht kannten, um ihn in Jaime oder Jacobo oder Diego zu verwandeln, nannte sie mich so (eine phonetische Annäherung), bei diesem Diminutiv von John oder Juan, nicht von James. Als sie aufhörten mit ihren ›Mr. Deza‹ (sehr rasch), nannten Tupra und Mulryan mich ebenfalls Jack. Rendel nicht, er erlaubte sich niemals Vertraulichkeiten mit irgend jemandem, zumindest nicht in dem namen- und scheinbar funktionslosen Gebäude. Und die junge Nuix neigte, ebenso wie Luisa, zu Jaime oder manchmal nur zum Nachnamen, schlicht Deza, auch wie Luisa.
    »Brüder«, murmelte ich, und dieses Mal gelang es mir, die Wiederholung nicht in eine Frage zu verwandeln. »Brüder, ja? Sie wissen genau, daß ich nichts wußte, Peter. Ich wußte nicht einmal, daß Sie Neuseeländer von Geburt sind, das haben Sie zum ersten Mal im Leben erst vor ein paar Tagen, am Telefon, erwähnt.« Während ich sprach, kam mir sofort Rylands in Erinnerung, manchmal lassen sich Erinnerungen mit bedenklicher Geschwindigkeit heraufbeschwören. »Und dann Toby«, sagte ich, während ich mich erinnerte: »Von ihm ging das Gerücht, daß er in Südafrika geboren wurde, und ich habe es für wahr gehalten, als ich ihn einmal beiläufig sagen hörte, er sei bis zu seinem sechzehnten Lebensjahr nicht aus diesem Kontinent, aus Afrika, herausgekommen. Das gleiche Alter, in dem Sie hier angekommen sind, auch das haben Sie mir gegenüber zum ersten Mal beiläufig bei diesem Telefongespräch erwähnt, gerade erst vor kurzem. Jetzt werden Sie mir doch wohl nicht sagen, daß Sie Zwillinge waren, nicht wahr?«
    Wheeler schaute mich wieder wortlos an, seine Augen sagten, daß er keine Lust hatte, Vorwürfe oder auch nur ironische Bemerkungen zu hören, nicht an diesem Morgen, er hatte andere Dinge im Sinn oder in dem für diese Vorstellung geplanten Repertoire.
    »Schön, wenn du es wirklich nicht wußtest … Dann wirst du mich eben nie danach gefragt haben, nehme ich an«, antwortete er. »Ich habe es ja nicht verheimlicht. Vielleicht Toby, ihm mochte das lieber sein, er hat es vielleicht wirklich vor dir verheimlicht. Ich nicht. Ich vermag aber auch nicht zu sehen, warum ich genötigt gewesen sein sollte, es dir zu erzählen.« Diesen Satz sagte er im gleichen fast entschuldigenden Ton, ohne Zorn; aber ich trennte ihn heraus, erkannte ihn: Es war ein Satz, um mich in die Schranken zu weisen. »Wir waren keine Zwillinge. Ich war fast ein Jahr älter. Jetzt bin ich es um etliche mehr.«
    Ich kannte Wheeler, wenn ihm etwas nicht behagte oder er ausweichend wurde; in ihn zu dringen hieß unnötig Zeit zu verlieren, ihn womöglich zu verärgern, er entschied immer, worüber gesprochen wurde.
    »Wie Sie wollen, Peter. Wenn Sie die Güte haben, es mir zu erklären, bin ich ganz Ohr, Neugier und Interesse. Ich nehme an, daß es das ist, was ich im Who’s Who sehen sollte, ich vertraue darauf, daß Sie mir sagen werden, warum. Warum jetzt, meine ich.«
    »O nein, ganz und gar nicht«, antwortete er. »Ich versichere dir, daß ich glaubte, du wüßtest das, sonst hätte ich nicht riskiert, daß wir hier steckenbleiben. Nein. Worüber ich mit

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