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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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als glaubten sie an den genius loci , ihre räumliche Rachsucht.« ›Die hatte auch Franco‹, dachte ich, ›und ganz besonders haßte er meine Stadt, Madrid, weil sie ihn nicht wollte und sich ihm bis zum Schluß nicht ergab.‹ »Sie waren ziemlich dämlich, die Männer der SOE, sie handelten oft, ohne zu ermessen, ob die Folgen die Tat rechtfertigten oder nicht. Manche Soldaten haßten sie, verachteten sie. Ich habe vor einigen Monaten in einem Buch von Knightley gelesen, daß der Chef der Bombardierungen, Sir Arthur Harris, sie als Dilettanten, Ignoranten, als verantwortungslos und verlogen bezeichnete. Andere haben Schlimmeres gesagt. Ihr Nutzen war in Wirklichkeit psychologischer Art, und das ist nicht zu unterschätzen: Das Wissen von ihrer Existenz und ihren Heldentaten (die eher Legende waren) hob die Moral in den besetzten Ländern, dort unterstellte man ihnen Fähigkeiten, die ihnen abgingen, und sehr viel mehr Intelligenz, Unfehlbarkeit und List, als sie jemals besessen hatten. Sie versagten oft, wohl wahr. Aber die Leute glauben, was sie glauben müssen, das wissen wir, und alles hat seine Zeit, um geglaubt zu werden. Wo waren wir stehengeblieben? Warum reden wir darüber?«
    »Sie haben mir von den Leuten in Oxford und Cambridge erzählt, die in den MI6 oder die SOE eingetreten sind.« Es genügt, einen Namen zu hören und ihn erklärt zu bekommen, und schon benutzt man ihn fast mit Vertrautheit. Wheeler hatte den gleichen Satz gesagt wie Tupra, »alles hat seine Zeit, um geglaubt zu werden«, ich fragte mich, ob das ein beiden bekanntes Motto war. Während Wheeler sprach, hatte ich ein paar Blicke auf den Rest seines biographischen Artikels geworfen, der uns nicht mehr betraf: ein Mann voller Auszeichnungen und Ehren spanischer, portugiesischer, britischer, nordamerikanischer Provenienz, Komtur des Ordens von Isabella der Katholischen, des Ordens des Infanten Dom Henrique. Ich sah unter seinen Schriften folgenden Titel aus dem Jahre 1955: The English Intervention in Spain and Portugal in the Time of Edward III and Richard II . ›Er hat sein ganzes Leben damit verbracht, die Interventionen seines Landes im Ausland zu studieren‹, dachte ich, ›seit dem 14. Jahrhundert, seit dem Schwarzen Prinzen, vielleicht ist sein Interesse daran nach seinem Zwischenspiel beim MI6 erwacht.‹ »Sie sagten, Toby habe ersterem angehört.«
    »Ach ja. Ach so. Na ja, du kennst unser Privileg: Man betrachtet uns prinzipiell als für jede Tätigkeit gerüstet und befähigt, ob sie nun mit unseren Studien und unserer Materie zu tun hat oder nicht. Und diese Universität mischt schon seit so vielen Jahrhunderten über ihre Zöglinge in der Regierung dieses Landes mit, daß wir unsere Mitarbeit nicht verweigern konnten, als man uns am meisten brauchte. Man konnte damals auch nicht wählen, es waren keine Friedenszeiten. Obwohl es den einen oder anderen gab, der es getan hat, der sich geweigert hat. Und das sehr teuer bezahlt hat. Das ganze Leben lang. Auch den einen oder anderen Doppelagenten und Verräter, du wirst von Philby, Burgess, Maclean und Blunt gehört haben, von ihrem Skandal, der sich durch die fünfziger und sechziger Jahre und noch bis in die siebziger hinein zog, von Blunt wußte man nichts bis 1979, als Mrs. Thatcher beschloß, sich nicht an den ererbten Pakt zu halten, und öffentlich machte, was er fünfzehn Jahre zuvor heimlich gestanden hatte, womit sie ihn zugrunde richtete, sie nahmen ihm alles, lächerlicherweise angefangen bei seinem Titel, Sir. Na ja, bei der Menge der Angeworbenen erstaunt es nicht, daß vier Verräter von unseren Universitäten darunter waren, zum Glück waren die vier von der anderen, nicht von der unseren, das kommt uns nun schon ein halbes Jahrhundert oder ein wenig länger in aller Stille zugute.« ›Die räumliche Rachsucht, die Bestrafung des Ortes‹, dachte ich, ›auch hier.‹ »Schön, vier: die berühmten vier des Fünfer-Zirkels, aber es hat sehr viel mehr gegeben.« Ich verstand nicht, worauf er sich bezog: › The Four of Fame from the Ring of Five ‹, so hatten seine Worte auf englisch gelautet. Doch dieses Mal ließ ich mir mein Nichtwissen nicht einmal mimisch anmerken, ich wollte nicht, daß er sich deshalb noch einmal unterbrechen mußte. Ring konnte auch ›Fingerring‹ sein. »Ich bin eingetreten, Toby ist eingetreten, wie so viele andere, es war nie etwas Außergewöhnliches daran, nicht einmal nach dem Krieg, sie haben immer alles mögliche gebraucht

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