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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Vater gezeigt, dieses Foto, dem unzertrennlichen Freund und wer weiß ob damals schon Bräutigam, oder womöglich hatte er selbst es auf dem Revier gefunden und es mit einem Schauder und einer stummen Verwünschung aus dem Register gezogen und mußte er es sein, der es ihr zeigte, das letzte, was er gewollt hätte. Denn ich glaube, daß er sie während der ganzen Nacht und dem Tag begleitet hat bei ihrer langen, angstvollen und am Ende trostlosen Odyssee.
    Fast das schlimmste an diesem Foto sind die Zahlen und Etiketten auf dem Hals und der Brust des ohne Verbrechen noch Schuld noch Verfahren hingerichteten Jungen, der mein Onkel Alfonso war und nicht war oder es gewesen wäre. Eine 2 und darunter 3–20, wer weiß, was sie bedeuten mochten, was für ein improvisierter Klassifizierungsmodus für die unnötigen namenlosen Toten verwendet wurde, es waren so viele im Lauf der Jahre, daß niemand sie hat zählen oder gar benennen können, so viele auf der ganzen Halbinsel, Norden und Süden und Osten und Westen. Doch nein, das ist nicht das schlimmste, wie könnte es das sein, wo es Blutflecken in dem jungen Gesicht gibt, den größten am Ohr, aus dem es geflossen sein konnte, aber auch auf der Nase und auf der Wange und auf der Stirn und auf dem linken geschlossenen Augenlid, wie Spritzer, fast scheint sein Gesicht nicht dasselbe zu sein wie das des lebenden Jungen auf dem anderen Foto, das nicht in Atlas eingewickelt war, das des Jungen mit seiner Krawatte. Am kenntlichsten ist, was man auf beiden Fotos von den ein wenig vorstehenden mittleren Schneidezähnen sehen kann, auch das linke Ohr, aus dem der Tote geblutet hatte, scheint das gleiche wie das des Lebenden zu sein. Eine freundschaftliche Hand stützte sich auf die Schulter des letzteren, und ihr Besitzer, wer immer es sein mochte (hochgekrempelt die Hemdsärmel wie bei mir jetzt, während ich aufräumte), hatte sich hinuntergeneigt, um zu posieren und auf das Foto zu kommen, auf das er dann doch nicht gekommen ist, vielleicht ein weiterer Bruder von ihm, von meiner Mutter Elena und meinem Onkel Alfonso, er trug als Lebender ein Taschentuch in der oberen Jackentasche und kämmte sich das Haar mit dem Scheitel links von seinem spitzen Haaransatz, wie es zur damaligen Zeit die vorherrschende Sitte war, die noch bis in meine Kindheit hinein andauerte, auch ich trug den Scheitel auf dieser Seite als Kind, als es noch meine Mutter war, die uns mit Wasser kämmte, mich und meine beiden Geschwister, meine Schwester gründlicher und sorgfältiger mit ihrer kürzeren oder längeren Mähne, je nach den Jahren (vielleicht war ihre damals geschwisterliche Hand dafür verantwortlich gewesen, auch den lebenden Jungen zu kämmen, als er kleiner war). Dieses eingewickelte Foto hatte ich wieder eingewickelt und verwahrt, nachdem ich es gesehen hatte und nicht hatte sehen wollen und es kurz angeschaut hatte, ganz kurz, denn es ist schwer, es zu tun, und mehr noch, es zu ertragen, es hätte mir nie gezeigt werden dürfen, und ich darf es niemandem zeigen. Aber es gibt Bilder, die sich einprägen, auch wenn sie nur kurz aufblitzen, und so war es mir mit diesem ergangen, so sehr, daß ich es aus dem Gedächtnis genau nachzeichnen konnte, und das tat ich plötzlich, als ich Wheelers Tisch bereits abgeräumt hatte und fast alles unversehrt zu sein schien, so ersparte ich Peter und Frau Berry einen häuslichen Verdruß, wenn sie am Morgen herunterkämen, früher als ich unweigerlich: es mußte schrecklich spät sein, ich zog noch immer vor, nicht zu wissen, wie spät.
     
     
     
    Mein Vater hat also alles in allem wirklich Glück gehabt am Ende des Krieges, als viele der Sieger nur daran dachten, Vergeltung zu üben für Dinge wie bei meinem Onkel oder für sehr viel schlimmere und auch für vergangene Ängste oder erlittene Frustrationen oder gezeigte Schwächen oder empfangenes Mitleid oder für Imaginäres oder für nichts in vielen Fällen – so günstig das Klima für die Rache, die Anmaßung, das Schadloshalten und die unglaubliche Erfüllung der absonderlichsten Träume des Ressentiments und des Neides und der Wut –, und als andere mit mehr Verstand sich mit einer größeren, umfassenderen, weniger leidenschaftlichen und abstrakteren Idee trugen, deren Umsetzung jedoch zu ebenso blutigen Ergebnissen geführt hätte: mit der Idee der totalen Vernichtung des Feindes, des Besiegten und dann des Verdächtigen und des Neutralen und des Unschlüssigen und des nicht Fanatischen

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