Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze
glaube nicht, daß er hinter irgend etwas Ernsthaftem steht, hinter etwas, das wirklich stattfinden wird. Wie er selbst gesagt hat, die Wahrheit ist, wenn es passiert, eine grobe Form, es auszudrücken. Also ich würde sagen, daß seine, seine eigene, niemals geschehen wird, ob mit oder ohne Unterstützung, ob mit oder ohne Finanzierung, von innen, von außen oder interplanetarisch.« Ich hatte mich von der Kühnheit fortreißen lassen, ich zügelte mich. Ich fragte mich, ob Tupra sich nicht verraten würde, wenigstens was den Titel betraf, mit dem der Venezolaner vor ihm aufgetreten war (ich hatte bewußt gesagt: uns gegenüber, um mich endlich einzuschließen). ›Wenn er es nicht tut‹, dachte ich, ›wird er zu diesen Leuten gehören, die man nicht verwirren kann und die nur sagen, was sie wirklich sagen wollen, oder das, von dem sie wissen, daß es völlig egal ist, ob es bekannt wird.‹ »Na ja, das sind natürlich alles Spekulationen«, fügte ich hinzu. »Eindrücke, Intuitionen. Sie haben mich nach meinem Eindruck gefragt.«
Jetzt zündete auch er seine wertvolle eingespeichelte Rameses II an. Vermutlich konnte er es nicht ertragen, zuzusehen, wie ich die meine genoß, die außerdem seine war, ein halbes Pfund Sterling zu Rauch verwandelt durch einen fremden, kontinentalen Mund. Er hustete ein wenig nach dem ersten Zug, ägyptische Schärfe, vielleicht rauchte er nur zwei oder drei am Tag und gewöhnte sich nie daran.
»Ja, ich weiß, daß Sie nicht wissen können«, sagte er. »Glauben Sie ja nicht. Ich auch nicht, oder nicht viel mehr. Warum denken Sie das, sagen Sie es mir.«
Ich improvisierte weiter, oder das glaubte ich.
»Na ja, der Mann entsprach ohne Zweifel dem Typ des südamerikanischen Militärs, ich fürchte, sie unterscheiden sich nicht sehr von den spanischen von vor zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren, sie trugen alle einen Schnurrbart und lächelten nie. Sein Aussehen verlangt natürlich nach Uniform und Mütze und nach Orden auf der Brust, wie Patronengürtel, in Hülle und Fülle. Aber einige Einzelheiten paßten nicht. Sie haben mich auf den Gedanken gebracht, daß er nicht ein als Zivilist verkleideter Militär war, wie mir am Anfang schien, sondern ein Zivilist, der als Militär verkleidet ist, der als Zivilist verkleidet ist, ich weiß nicht, ob Sie mir folgen können. Es sind unbedeutende Einzelheiten«, sagte ich entschuldigend. »Und es ist nicht so, daß ich viel Umgang mit Militärs gehabt hätte, ich bin kein Experte.« Ich unterbrach mich, meine momentane Verwegenheit war dabei, zu verfliegen.
»Das macht nichts. Ja, ich folge Ihnen. Sagen Sie mir, welche Einzelheiten.«
»Na ja, sie sind winzig, um die Wahrheit zu sagen. Sehen Sie, er hat einige unpassende Wörter gebraucht, wie soll ich sagen. Entweder sind die Soldaten nicht mehr das, was sie einmal waren, und haben die lächerlichen Gespreiztheiten der Politiker und Fernsehsprecher übernommen, oder dieser Mensch ist kein Militär; oder aber er war es wohl, ist jedoch schon seit langem nicht mehr aktiv. Dann setzte er zu spontan zu der Geste an, sich das Hemd in die Hose stopfen zu wollen, wie jemand, der an zivile Kleidung gewöhnt ist. Na ja, es ist eine Lappalie, Militärs tragen zuweilen Krawatte und Anzug oder sind im Hemd, wenn es heiß ist, und in Venezuela ist es heiß. Aber ich dachte, daß er keiner war oder aber schon lange seinen Abschied genommen und sich keine Uniformjacke mehr angezogen hatte, aus dem Korps entlassen, ich weiß nicht. Nicht einmal eine Guayabera oder ein Liki-liki oder wie immer sie das dort nennen, diese Kleidungsstücke werden alle über der Hose getragen. Ich fand ihn auch übertrieben besorgt wegen der Bügelfalte der Hose und ihres Sitzes überhaupt, aber na ja, es gibt überall geschniegelte und eingebildete Offiziere.«
»Sie können sich nicht vorstellen, in welchen Mengen«, sagte Tupra. »Liki-liki«, wiederholte er. Aber er fragte nicht. »Fahren Sie fort.«
»Na ja, vielleicht haben Sie auf seine Stiefel geachtet. Kurze Stiefel. Man könnte sie von weitem oder bei schlechtem Licht für schwarz halten, aber sie waren flaschengrün und wie aus Krokodilleder oder vielleicht aus Kaimanleder. Ich kann mir einen hochgestellten Militär nicht mit solchen Schuhen vorstellen, nicht einmal in seiner freiesten Freizeit und bei seinen größten Ausschweifungen. Sie schienen eher zu einem Drogenhändler zu passen oder zu einem Rancher in der Stadt, was weiß ich.« Ich fühlte mich wie
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