Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze
Marke, Rameses II, ägyptische Zigaretten mit türkischem Tabak, leicht scharf, die pharaonische rote Packung wirkte auf dem Tisch wie eine Tim-und-Struppi-Zeichnung, heute waren sie sehr teuer, bestimmt kaufte er sie bei Davidoff oder bei Marcovitch oder bei Smith & Sons (wenn die beiden letzten noch existierten), mir kam es nicht so vor, als hätte ich sie zu Hause bei Wheeler in seinen Händen gesehen, vielleicht rauchte er sie nur privat. Auch ich gab meiner kein Feuer, die gewöhnlicher war, wenn auch trocken, meine Lippen sind nicht feucht.
Ich improvisierte, weiter nichts, das ist die Wahrheit. Ich hatte nichts zu verlieren. Auch nichts zu gewinnen, man hatte mich als Übersetzer gerufen, und ich hatte meine Aufgabe erfüllt. Meine verlängerte Anwesenheit war ein Entgegenkommen meinerseits, obwohl Tupra mir nicht dieses Gefühl gab, sondern eher das gegenteilige, er war einer dieser seltenen Menschen, die ein Darlehen erbitten und den Geber dazu bringen, daß er sich als Schuldner fühlt.
»Es schien mir überhaupt nicht wahr zu sein, daß sie bereit wären, ihren Obersten Fallschirmjäger über die Klinge springen zu lassen, nicht einmal dann, wenn Erfolg oder Mißerfolg der Operation davon abhängen würden. Dagegen habe ich sehr wohl für wahr gehalten, daß sie ihm in keinem Fall ein Haar krümmen würden, selbst wenn die Dinge schiefgehen sollten, weil sie ihn nicht beseitigt haben.«
»Und welcher wäre der nicht wahre Zusammenhang dieser Wahrheit?«
»Na ja, ich sage Ihnen doch, daß ich nicht weiß, wie sich dieser Herr Ihnen vorgestellt hat oder was er von Ihnen haben will …«
»Von mir nichts, von uns nichts, wir haben nichts zu vergeben«, unterbrach mich Tupra. »Uns schickt man ihn nur, damit wir ihn begutachten, das heißt, über den Grad seiner Überzeugungskraft und seine Wahrhaftigkeit befinden. Deshalb bin ich interessiert, Ihr Urteil zu erfahren, Sie beide sprechen die gleiche Sprache, oder ist es nicht mehr die gleiche? Bei einigen amerikanischen Filmen verstehe ich nicht einmal die Hälfte der Dialoge, bald wird man sie untertiteln müssen, damit sie hier vorgeführt werden können, ich weiß nicht, ob es sich auch mit dem dortigen Spanisch so verhält. Na ja, es gibt Nuancen im Vokabular, Ausdrücke, die ich in der Übersetzung nicht unterscheiden noch einschätzen kann. Eine andere Art von Nuancen dagegen wohl, gerade weil ich nicht verstehe, was jemand sagt, während er es sagt, das kann sehr nützlich sein. Der Text, wissen Sie, lenkt bisweilen ab, und nur die Melodie zu hören, die Musik, ist oft wesentlich. Sagen Sie mir jetzt, was Sie denken.«
Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits mit Kühnheit und Leichtsinn gewappnet, und so gab ich mich munter weiteren Improvisationen hin. Aber ich konnte es nicht mehr aushalten und zündete die Zigarette an, wenn auch nicht meine, sondern eine wertvolle Rameses II, um die ich ihn bat (er gab sie mir natürlich und ohne das Gesicht zu verziehen, eine davon konnte ein halbes Pfund oder so kosten).
»Mein Eindruck ist, daß dieser Putsch vielleicht nicht einmal ernsthaft geplant wird. Oder daß dieser Mann, wenn er wirklich vorbereitet wird, nicht an ihm teilnehmen oder kaum etwas zu sagen haben wird. Ich nehme an, daß Sie Erkundigungen über ihn eingeholt haben. Ob er ein exilierter oder aus dem Korps entlassener oder bereits pensionierter Militär ist, ein Oppositioneller ohne Kontakte im Land, der jedoch vom Ausland her agiert, am wahrscheinlichsten ist, daß er sich der Aufgabe widmet, ausgehend von nichts oder von sehr vagen Intentionen und sehr schwacher Information Gelder zu sammeln. Und daß es seine eigene Tasche ist, in der am Ende landet, was er zusammentragen konnte, über die Kosten des heimlich Gescheiterten wird gewöhnlich nicht viel Rechenschaft verlangt noch gegeben. Wenn er dagegen ein aktiver Militär ist und Befehlsgewalt hat und sich im Land befindet und uns gegenüber als Verräter an seinem Chef für das Wohl seines Landes und sehr gegen seinen Willen auftritt, dann wäre es nicht unmöglich, daß ihn der Comandante persönlich geschickt hat, um zu sondieren, um zu antizipieren, um auszukundschaften, um Vorsorge zu treffen und bei Gelegenheit ebenfalls Gelder im Ausland zu sammeln, die sicher in Chávez’ eigener Tasche landen würden, der Streich wäre nicht schlecht. Ich denke, daß er auch weder das eine noch das andere sein kann, das heißt, daß er kein Militär ist, es nie gewesen ist. Wie auch immer, ich
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