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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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kannte, fast ohne gesprochen zu haben, fast ohne angeschaut worden zu sein oder geschaut zu haben. Eine leichte Verzögerung dagegen oder der Verdacht einer Nachahmung, einer gefälligen Antwort auf meinen Reiz oder meine Vorgabe, die Wahrnehmung eines höflichen oder als Schmeichelei angebotenen Lachens, ein Lachen, das nicht ganz uneigennützig ist und vom Willen gelenkt wird, ein Lachen, das weniger lacht, als daß es lachen will, oder das sich bequemt oder sich herbeizwingt oder sich gar herabläßt, von diesem Lachen habe ich mich sehr bald entfernt oder ihm einen zweitrangigen Platz zugewiesen, nur einen der Begleitung oder auch des Werbens in meinen Zeiten der Schwäche. Dem anderen Lachen dagegen, dem Luisas, das fast zuvorkommt, dem meiner Schwester, das uns einhüllt, dem der jungen Pérez Nuix, das sich mit meinem eigenen vermischt und nichts von Überlegung hat, wohl aber von Vergessen ihrer und meiner Person (und alles von Freigebigkeit und Grundlosigkeit und Gleichmachung), diesem Lachen habe ich gewöhnlich einen wichtigen Platz eingeräumt, der sich in der Folge als dauerhaft oder nicht erwiesen hat, zuweilen gefährlich und auf lange Sicht (wenn sie lang war) schwer zu ertragen, ohne daß eine kleine symbolische oder reale Schuld in Erscheinung getreten oder ins Spiel gekommen wäre. Aber noch weniger erträglich ist das Fehlen oder das allmähliche Ausbleiben dieses Lachens, und das bringt immer, das eine wie das andere, der Tag mit sich, an dem man sich noch ein wenig mehr verschuldet, einer der beiden ein wenig mehr. Schon seit langem hatte Luisa es mir entzogen oder es rationiert, das ihre, ich konnte nicht glauben, daß sie es bei jeder Gelegenheit verloren hatte, gewiß schenkte sie es anderen, wenn jemand es uns entzieht, dann ist das ein Zeichen dafür, daß nichts mehr zu machen ist. Dieses Lachen entwaffnet. Es entwaffnet bei den Frauen und auf andere Weise auch bei den Männern. Ich habe Frauen nur ihres Lachens wegen begehrt, heftig, sie haben es gewöhnlich gespürt. Und bisweilen habe ich gewußt, wer jemand war, nur weil ich es von ihm gehört hatte oder weil ich es nie von ihm gehört hatte, das unverhoffte, kurze Lachen, und ich habe sogar gewußt, was zwischen diesem Jemand und mir geschehen oder sein würde, ob Freundschaft, Konflikt, Langeweile oder nichts, ich habe mich nicht oft getäuscht, es hat eine Weile dauern können, aber am Ende ist es eingetreten, und außerdem ist immer noch Zeit, solange man nicht stirbt oder dieser Jemand und ich nicht sterben. Das war Tupras Lachen und auch meines, und deshalb mußte ich mich einen Augenblick lang fragen, ob in der Zukunft er entwaffnet sein würde oder ich oder vielleicht wir beide. »Liki-liki«, wiederholte er. Unmöglich, so ein Wort nicht zu wiederholen, es ist unwiderstehlich. »Nun ja, die Gebräuche eines Ortes lassen sich nicht von außen beurteilen, nicht wahr?« fügte er hinzu, mit lustlosem oder wenig ernsthaftem Ernst.
    »Wohl wahr, wohl wahr«, antwortete ich im Wissen, daß diese Worte es für keinen von uns beiden waren (ich meine wahr).
    »Noch etwas?« fragte er. Er hatte nichts verraten, weder über die Identität (das erwartete ich nicht) noch über den vermeintlichen Status oder Posten des Venezolaners, dem ich zwiefach als Dolmetscher gedient hatte. Ich machte einen Versuch:
    »Könnten Sie diesem Mann einen Namen geben? Vor allem für den Fall, daß wir uns ein andermal auf ihn beziehen müßten.«
    Tupra zögerte nicht. Als hätte er schon eine Antwort parat auf meine Sondierung, mehr als auf meine Neugier.
    »Das halte ich nicht für wahrscheinlich. Für Sie, Mr. Deza, wird er Bonanza heißen«, sagte er mit noch ironischerem Ernst.
    »Bonanza?« Er mußte meine Verblüffung bemerkt haben, ich konnte nicht vermeiden, das z wie in meinem Land oder in einem Teil desselben und natürlich in Madrid auszusprechen. In seinen englischen Ohren klang das wahrscheinlich wie ›Bonantha‹ oder so ähnlich, so wie Deza wahrscheinlich wie ›Daetha‹ klang oder so ähnlich.
    »Ja, ist das kein spanischer Name? Wie Ponderosa, oder?« sagte er. »Also Bonanza für Sie und mich. Nichts, was Sie sonst noch beobachten konnten?«
    »Ich kann Ihnen nur diesen Eindruck bestätigen, Mr. Tupra: General Bonanza würde niemals einen Anschlag auf das Leben von Chávez verüben, oder Mr. Bonanza, wer immer er in Wirklichkeit ist. Dessen können Sie sicher sein, ob es gut für Ihre Interessen ist oder nicht. Er bewundert ihn zu

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