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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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mich umbringen, und ihr werdet mich umbringen. Aber ihr werdet mich nicht rumhetzen wie einen Stier.‹ Er war schlicht nicht bereit, ihnen einen Teil der Arbeit abzunehmen. Die Replik brachte mir sofort wieder den Menschen nahe, den ich kannte, wenn auch an diesem Tag natürlich ohne seine gute Laune: eine letzte Frechheit, bestimmt wollte er sich in seinem letzten Augenblick nicht mit einer Schaufel in der Hand sehen, ein Loch grabend, schwitzend und verschmutzt. ›Stellt euch vor, der Kerl kam uns auch noch großkotzig daher‹, fuhr der Schriftsteller fort, ›als könnte er die Bedingungen diktieren. Man sah ja, egal wie rot, er war ein Papasöhnchen, geschniegelt und gebügelt, der junge Herr. Und obendrein drängte er seine beiden Gefährten, sich ebenfalls zu weigern. Sie hörten nicht auf ihn, zum Glück für sie. Sie waren zu verängstigt und machten sich ans Graben. Er glaubte wahrscheinlich, daß wir danach sowieso alle drei ohne Umstände erschießen würden, vor dem offenen Graben. Einer von unserem Trupp, der aus der Provinz stammte und ihn schon seit langem auf dem Kieker hatte, versetzte ihm einen Kolbenhieb ins Gesicht, der ihn zu Boden warf, und befahl ihm erneut, zu graben. Und dieser Kerl weigerte sich weiter und wiederholte, wir könnten ihn umbringen, ihn totschlagen, wenn wir Lust dazu hätten, aber zum Gespött machen ließe er sich nicht. »So wahr ich Emilio Marés heiße, ich werde für euch nicht den dummen Stier machen«, wiederholte er. So trat er auf, mit dem Namen voran und allem, ich weiß nicht, für wen er sich hielt. Also gut. Ich sage euch nur, es war sein Pech, daß er sich diesen Ausdruck hatte einfallen lassen, denn wißt ihr, was wir gemacht haben?‹ Und der Schriftsteller zögerte ein bißchen, als wollte er Erwartung schaffen und größere Wirkung erzielen, als müßte er wirklich von uns hören ›Nein, was denn?‹, obwohl er auch nicht lange genug wartete, denn die Frage war nur rhetorisch, theatralisch. Dann senkte er energisch den Zeigefinger, ohne den Tisch zu berühren, als wollte er präzisieren oder unterstreichen, als sei er stolz auf die Antwort, und während er diese Geste machte, gab er sie sich selbst und gab sie uns: ›Wir haben ihn als Stier behandelt‹, sagte er süffisant. Zufrieden über die Lektion. Ich erinnere mich, daß sofort Schweigen eintrat, in dem Entgeisterung, Verständnislosigkeit lagen. Ich glaube, keiner von uns hatte es richtig verstanden, zumindest nicht im allerersten Augenblick, denn bis zu diesem Moment war der Ausdruck natürlich nur im übertragenen Sinne aufgetaucht, im Sinn von ›verspotten‹; und auch, weil es nicht vorstellbar war. Es war Antigüedad, der ihn verwirrt und schon mit leiser Furcht fragte: ›Was meinst du damit, daß ihr ihn als Stier behandelt habt?‹ ›Genau das. Daß wir ihn beim Wort genommen und als Stier behandelt haben, wortwörtlich. Wir sind gegen ihn angetreten‹, antwortete der Schriftsteller. ›Die Idee stammte von dem aus Málaga, der es schon länger auf ihn abgesehen hatte. »Also nicht, hm?« sagte er zu ihm. »Dir werd ich’s zeigen.« Und er nahm den Lieferwagen, fuhr in die Stadt zurück und war in weniger als einer halben Stunde zurück mit dem ganzen Zeug. Wir haben ihm an Ort und Stelle die Banderillas gesetzt, wir haben ihm vom Dach des Wagens herab ein bißchen die Pike gegeben, in langsamen Umkreisungen, und dann war es sein Landsmann, der es übernahm, ihm den Todesstoß zu versetzen. Ein verquerer Kerl, sehr gehässig, man sah, daß er ein bißchen Erfahrung hatte, er zielte sehr gut, beim ersten Mal ganz hinein, mitten ins Herz. Ich habe ihm nur ein paar kurze Banderillas gesetzt, oben im Rücken. Und ob wir es ihm gezeigt haben, diesem Emilio Marés. Die beiden anderen hatten wir als Publikum und zwangen sie, olé! zu schreien. Wir haben sie erst erschossen, als der Kampf zu Ende war, als Belohnung dafür, daß sie gegraben hatten. So konnten sie sehen, was ihnen erspart geblieben war. Der aus Málaga bestand darauf, ein Ohr als Trophäe abzuschneiden. Ein bißchen überkandidelt, aber wir anderen wollten ihn auch nicht daran hindern.‹ Das war es, was der berühmte, gefeierte Schriftsteller beim Aperitif erzählte«, fügte mein Vater hinzu, und seine Stimme klang bedrückt, kaum hatte er mit dem Erinnern aufgehört. »Obwohl er es dann, als er wirklich berühmt war, nicht mehr erzählt hat. Er erhielt ein feierliches Begräbnis bei seinem Tod. Ich glaube, sogar ein sehr

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