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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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seiner roten Mütze wie ein Stierkämpfer und hielt die drei Trophäen hoch.‹ Ich weiß nicht, ob das der Wahrheit entsprach oder ob er es auf die Frage des anderen hin aus dem Ärmel schüttelte, um gut dazustehen; vielleicht dachte er ja, er habe die Erwartungen nicht erfüllt, und darauf sei die Gleichgültigkeit seines Publikums zurückzuführen. Aber das war mir egal; oder es war fast schlimmer, wenn er es aus dem Stand erfunden hatte, um uns, aus seiner Sicht, zu schmeicheln oder mehr schaudern zu lassen. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich hatte es schon vorher nicht ausgehalten. Aber mir ging ein vages Bild von Marés durch den Kopf, verstümmelt, nachdem man ihn gefoltert und getötet hatte, ein Bild des so angenehmen Mannes, den ich kannte, der auf so amüsante Weise eingebildet war, verwandelt nicht in einen menschlichen, sondern eher in einen Tierkadaver. Ich stand auf und murmelte, wobei ich mich nur an Gómez-Antigüedad wandte: ›Ich muß gehen, es ist schon spät für mich. Ich gehe an der Theke vorbei, ich zahle diese Runde.‹ Und ich ging zur Theke, um die Rechnung zu verlangen. Wenn ich diesen Zwischenhalt einlegte, bevor ich das Weite suchte, fiel es weniger auf und war nicht so brüsk, wie wenn ich direkt zur Tür gegangen wäre. Es paßte mir überhaupt nicht, etwas zu bezahlen, das kannst du dir denken, und es war ein für mich sehr teures Lokal, ich war nicht einmal sicher, ob das Geld, das ich bei mir hatte, dafür reichen würde; und du kannst dir nicht vorstellen, wie es mich anwiderte, diese vier einzuladen. Aber es sollte mir recht sein, wenn ich sie auf diese Weise sofort aus den Augen verlieren konnte und nicht mehr ihr bemüht höhnisches Lachen oder die Stimme dieses mörderischen Angebers hören mußte; und natürlich ohne größere Unannehmlichkeiten dort rauskommen konnte. Es hätte nur noch gefehlt, daß sie mich an dem Tag verhaftet hätten, bei meiner Vorgeschichte. Ich stand nicht weit entfernt hinter ihnen, während ich an der Theke darauf wartete, daß der Barmann oder irgendein Kellner mir die Rechnung brachte, und ich hörte, wie der Schriftsteller zu Antigüedad sagte: ›Darf man wissen, was mit dem los ist? Deza, hast du gesagt, nicht? Wo kommt der her. Und was hat den gestochen.‹ Schlecht, wenn man deinen Namen registriert und auf ihn achtet und ihn sich merkt, ob es nun die Behörden sind oder die Kriminellen, ganz zu schweigen davon, wenn die Behörden kriminell sind. Ich dachte, ich würde es nicht schaffen, der Schriftsteller würde mich nicht in Frieden ziehen lassen, er würde klären wollen, was mit mir war, und dann würde ich mich nicht mehr beherrschen können, das war sicher. Hätte er mich zur Rede gestellt, ich wäre imstande gewesen, ihm ohne ein Wort an den Hals zu springen, auf der Stelle. Das wäre ihm schlecht bekommen, aber mir noch viel schlechter. Ich wäre in derselben Nacht nicht einer gewaltigen Tracht Prügel in einer Zelle entgangen, und dann hätten sie womöglich erneut Anklage gegen mich erhoben, aus irgendeinem beliebigen Grund. Zum Glück kam die Antwort von Antigüedad rasch, und auch dafür war ich ihm bis zu seinem Tod dankbar: ›Mit ihm wird das gleiche los sein wie mit mir, Scheiße noch mal, du hast mich krank gemacht‹, sagte er. Er war kein Mann von vulgären Ausdrücken, aber man sollte sich, je nach Gegenüber, darauf verstehen, sie zu benutzen. Eine Frage der Autorität bisweilen. Und mit dieser Autorität tadelte er ihn, schimpfte er ihn fast aus: ›Glaubst du denn, man kann diese grausame Geschichte einfach so erzählen? Glaubst du denn, das ist witzig? Vielleicht mäßigst du dich mal, Mann, vielleicht mäßigst du dich mal. Es ist langsam Zeit, daß wir alle aufhören, uns über alles zu erregen.‹ Der Schriftsteller besaß zwar eine bessere Position im Regime, aber Antigüedad stammte aus einer vermögenden Familie, die immer schon rechts gewesen war, hatte den Krieg im Rang eines Hauptmanns beendet und war über jeden Verdacht erhaben; außerdem würde er eines Tages Besitzer eines Verlages sein und gab dort jetzt schon ziemlich den Ton an, und das wird ein beginnender Schriftsteller immer berücksichtigen, denn er weiß nicht, ob er das nicht einmal gebrauchen kann. Also steckte er die Rüge ein, trotz seines Hochmuts. ›Na ja, reg dich nicht auf, Pepito, so schlimm ist es nicht. Alle haben wir Geschichten, die ein wenig brutal sind. Aber vielleicht stimmt es ja, daß diese sich nicht mehr für Friedenszeiten

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