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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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dagegen, die Vorwürfe und Demütigungen und Beleidigungen zu ertragen, die wir in unserer eigenen Sprache zu hören bekommen, sie sind realer. (Vielleicht sind diese Kränkungen die einzigen wirklich realen, und deshalb war es besser, diejenigen, die von Pérez Nuix kommen konnten, zu vereiteln; zu verhindern, daß sie entstehen und mich schmerzen konnten und ich sie vielleicht zurückbehalten würde. Wie die Luisas, die noch immer nachhallten, vielleicht weil fast nichts mehr sie vertrieb oder überdeckte, und sie immer schweigsamer war, wenn wir miteinander telefonierten.)
    Dieser Abend würde außerdem ein Ende haben, und es war mehr als wahrscheinlich, daß ich Manoia niemals wiedersehen würde, daher machte es mir nichts aus, daß mein Ich jener abendlichen Veranstaltung oder irgendeiner anderen im Dienste Tupras – sagen wir also Jack – vorübergehend und sicher stellvertretend schlecht dastand. Mein Ich davor oder danach war nicht Jack, sondern Jacques oder Jacobo oder Jaime; dieser war strenger und hochmütiger und auch gerechter, während jener unweigerlich sämtliche Begebenheiten, denen er beiwohnte oder an denen er beteiligt war, ein wenig nichtig oder unecht fand, so als würden sie Jacques nicht betreffen oder widerfahren und als sei er gegen sie gefeit. Wenn Manoias Reaktion mir überhaupt nicht gefallen hatte, dann deshalb, weil sie mich so weit beunruhigte, daß ich mich plötzlich angesprochen fühlte, zumindest als Jack, der nachlässige oder womöglich schon gescheiterte chevalier servant . Mir war klar, daß seine schlechten Manieren eine andere Ursache haben mußten als meine Langsamkeit oder mein Zögern (oder meine Inkompetenz, wenn ich mit dem »Glück« und dem »guten Geschäft« nicht das Richtige getroffen hatte). Sie hingen zweifellos mit Frau Manoia zusammen, und im gleichen Augenblick wandte ich den Blick erneut dem Tisch der Spanier zu, nachdem ich ihn nicht länger als zwanzig Sekunden abgewandt hatte, und De la Garza und Flavia waren nicht mehr da.
    Ich schaute mich nervös um, mir war der Augenblick entgangen, in dem sie aufgestanden waren, alle anderen befanden sich noch immer dort, einschließlich des singenden Schriftstellers (jetzt gehetzter bei seinem Klatschen, ein regelrechter Fan) und der unansehnlichen Erbin (unveränderlich der Gesichtsausdruck eines Opfers übelriechender, lethargischer Ausdünstungen), also war die Gruppe nicht in amüsantere Bereiche abgewandert, nicht einmal einige wenige, nur meine Dame und der Attaché hatten sich entfernt. Die Diskothek war groß, und in meinem Gesichtsfeld fand nur ein mittelgroßer Teil Platz, sie konnten an eine der zahlreichen Bartheken oder zum Tanzen auf die frenetischste und entlegenste Tanzfläche gegangen sein; aber sie konnten sich auch in einen dunklen Winkel verzogen haben oder – ich weigerte mich, es mir vorzustellen – mit übernatürlicher Eile und ohne sich zu verabschieden zusammen das Lokal verlassen haben. ›Nein, das ist nicht möglich‹, dachte ich, noch nicht wirklich erschrocken. ›Tupra hat gesagt, sie will nur Komplimente und galante Bemerkungen und würde keinen vergifteten Schritt tun, so groß ihre Bereitschaft auch scheinen mag, auf diese Weise einen ganzen Weg zurückzulegen, und er pflegt sich nicht zu irren. Allerdings hat die Dame heute abend einige Male maßvoll getrunken, und was De la Garza an Flüssigkeit intus hat, rechnet man besser nicht nach. Und es gibt niemanden, der nicht irgendwann in seinem Leben derlei Schritte in Gesellschaft eines Idioten oder eines Kriminellen oder einer Vogelscheuche tut, niemand ist außer Gefahr. Aber Rafita. Mit seinem Haarnetz. Mit seinem riesigen hellen Jackett. Mit seinem Ohrring einer kubanischen Sängerin oder einer puertoricanischen Tänzerin. Als wäre er Rita Moreno in West Side Story . Mit seinem pseudo-negroiden Aussehen. Soviel Vergiftung käme einem Selbstmord gleich, und niemand verdirbt den seinen, indem er ihn mit soviel schlechtem Geschmack torpediert.‹ Meine Furcht wuchs jedoch, als ich mich daran erinnerte, daß ich in meinem Leben unsägliche Paarungen gesehen hatte oder glaubhaft über unverbindliche Verbindungen informiert worden war ( One-night stands nennt man sie im Englischen, ein Begriff ursprünglich aus dem Theater, so etwas wie »einzige Vorstellungen«, er läßt ein wenig Narzißmus und ein wenig Exhibitionismus erkennen, nach meinem Dafürhalten).
    Sie bemerkten meine Unruhe sofort, sowohl Reresby als auch Manoia.

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