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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Epidemien; um andere in grauenhaftes, zerstörerisches Unheil zu stürzen, aus dem es kein Entrinnen gibt, und die derart Verurteilten in Verluste, in Unpersonen, in gefällte Bäume zu verwandeln, von denen man verfaultes Holz abschneiden kann; Zeit, um Cholera- und Malaria- und Pesterreger auszustreuen und viele Male den Prozeß der Verleugnung von allem in Gang zu setzen, dessen, der du bist, und dessen, der du gewesen bist, dessen, was du tust, und dessen, was du getan hast, dessen, was du erstrebst und erstrebt hast, deiner Beweggründe und deiner Absichten, deiner Glaubensbekenntnisse, deiner Ideen, deiner größten Loyalitäten, jeder Sache, die du verfochten hast … Für ihn stand fest, daß alles entstellt, verdreht, aufgehoben, gelöscht werden kann. Und ihm war bewußt, daß am Ende jedes mehr oder weniger langen Lebens, so eintönig es auch gewesen sein mag, und fade und grau und ohne Umbrüche, es immer zu viele Erinnerungen und zu viele Widersprüche geben wird, zu viel Verzicht und Unterlassen, zu viele Veränderungen, viel Rückzug und Flaggestreichen und auch zu viele Treulosigkeiten, oder vielleicht waren es immer weiße Fahnen, Kapitulationen. »Und es ist nicht einfach, all das zu ordnen«, hatte er gesagt, »nicht einmal, um es sich selbst zu erzählen. Zu viel Anhäufung … Mein Gedächtnis ist so prall gefüllt, daß ich es manchmal nicht ertrage. Ich würde es gern mehr verlieren, es ein wenig entleeren. Oder nein, das stimmt nicht … Aber ich hätte gern, daß es nicht so randvoll wäre.« Und dann hatte er hinzugefügt, woran ich mich so gut erinnerte (seitdem kehrte es hin und wieder oder eher wieder und wieder echohaft zu mir zurück): »Das Leben ist nicht erzählbar, und es ist höchst merkwürdig, das hartnäckige Bemühen, es zu erzählen … Manchmal denke ich, es wäre besser, die Gewohnheit aufzugeben und zuzulassen, daß die Dinge einfach geschehen. Und sie dann ruhen zu lassen.«
    Ja, Wheeler hätte sicher darauf verzichtet, das Wort zu ergreifen an dem berühmten letzten Tag: er hätte es verschmäht, seinen Fall darzulegen und den erschöpften Richter mit seinen untermauerten Beweggründen und der Aufzählung seiner bemerkenswerten Taten oder mit seiner kompletten Geschichte seit der Geburt zu behelligen und Gerechtigkeit oder schmachvolles Erbarmen zu erflehen oder zu erwarten, wenn er in den Zeiten gelebt hätte und gestorben wäre, in denen dieser Tag noch Gültigkeit besaß für die meisten Menschen. Vielleicht hätte er es vorgezogen, zur Miranda-Formel der in Amerika Verhafteten Zuflucht zu nehmen (mir wurde sie einmal aufgesagt, unvollkommen), ich meine, sie avant la lettre zu erschaffen und natürlich ohne diesen Namen inmitten jenes großen Tanzes, so daß ihr Nutzen oder Schaden in keinem Fall die Lebenden betroffen hätte (in Wirklichkeit gäbe es keinen Lebenden mehr an jenem Tag, wurde mir klar, und alles wäre après la lettre ). Mag sein, daß Wheeler Schweigen bewahrt und diesem Richter somit ein Glas oder zwei, eine halbe Pfeife erspart, ihm dafür jedoch die Aufgabe des Anordnens und Aufzählens überlassen hätte, schließlich und endlich hatte er schon alles gesehen und gehört, ihm mußte man nicht mit unvermeidlicher Scham und Anstrengung erzählen, das hieße Zeit verschwenden, obwohl es dort keine mehr gäbe oder nur diese absurde Zeit, die zwar einen Anfang, aber kein Ende hätte. Und wenn er gefragt worden wäre oder wenn der Richter ihn aufgefordert hätte, sich zu verteidigen oder etwas vorzubringen – »Was hast du dazu zu sagen, Peter Rylands und Peter Wheeler, aus Christchurch in Neuseeland?« –, hätte er nicht einmal »nichts« gesagt, sondern wäre bei seinem Schweigen geblieben und hätte den careless talk bis zum letzten Augenblick gemieden, auch ihn und obwohl er mitten drin war, denn dies wäre der größte Tag des indiskreten Gesprächs und der unvorsichtigen Unterhaltung, der Redseligkeit und Geschwätzigkeit und der freimütigen Enthüllungen, eingerichtet für die größten Vorwürfe und Rechtfertigungen, die Anschuldigungen und die Entlastungen, die Ausreden, die Appelle, die wütenden Dementis und die parteiischen Zeugenaussagen, für den einen oder anderen zwecklosen Meineid und die zahlreichen Denunziationen. (»O nein, ich wollte nicht, ich hatte nichts damit zu tun«, »Ich habe nichts zu verbergen«, »Ich bin es nicht gewesen«, »Mich hat man unter Drohungen gezwungen«, »Mir hat man eine Pistole an die Schläfe

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