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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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gesetzt, ich mußte es tun«, »Schuld war er, sie, die anderen, alle außer mir«); der geeignetste Tag, sich die zahllosen Toten vom Hals zu schaffen und immer den anderen aufzubürden. Ja, vielleicht hätte Wheeler darauf verzichtet, an diesem Geschrei der Welt teilzunehmen und irgendeinen Trumpf in der ungleichen Partie auszuspielen: »Schweig, schweig und sag nichts, nicht einmal, um dich zu retten. Hüte deine Zunge, verbirg sie, schluck sie hinunter, auch wenn du daran erstickst, als hätte die Katze sie dir abgefressen. Schweig, und rette dich so.«
    Das hatte Sir Peter Wheeler getan, von Anfang an schweigen, als ich ihn und Frau Berry beim Mittagessen an jenem Sonntag oder vielmehr beim Nachtisch, kurz bevor ich aufgestanden war, um mich allmählich auf den Weg zum Bahnhof zu machen und nach London zurückzufahren, nach dem Blutfleck auf ihrem Treppenabsatz gefragt hatte.
    »Bevor ich es vergesse«, hatte ich gesagt, wobei ich eine dieser Pausen nutzte, die immer den Abschied einleiten oder näher bringen, »gestern nacht habe ich einen Blutfleck entfernt, oben auf der Treppe, auf dem ersten Absatz, als ich in mein Zimmer hochgegangen bin.« Und ich zeigte mit dem zurückgebogenen Daumen auf die ersten Stufen. In Wirklichkeit war es gewesen, als ich das Exemplar der Liebesgrüße aus Moskau, das der ehemalige Commander des Geheimdienstes der Marine, Fleming, Wheeler gewidmet hatte (»…  who may know better. Salud! «), wie einen Schatz hinuntergetragen hatte, aber das war egal, und mir war lieber, daß Peter mich nicht für einen chafardero , einen Schnüffler, hielt, wie man im katalanischen Spanisch sagt. »Ich weiß nicht, woher er kam, aber er war nicht klein, haben Sie eine Ahnung?«
    Es war Frau Berry, die antwortete, je seltsamer eine Frage ist, um so mehr erfordert sie eine rasche Antwort, auch wenn diese nur darin besteht, Wörter zu wiederholen.
    »Ein Blutfleck?« sagte sie, und ihre Augenbrauen gingen von allein nach oben, scheinbar ohne vorherigen Befehl. Und fügte rasch mit leichtem Verdruß hinzu: »Wie kann das sein, daß ich ihn nicht gesehen habe, als ich in mein Zimmer hinaufgegangen bin, wenn er noch dazu nicht klein war«, und so schien sie die Sache sogleich zu einer möglichen eigenen Nachlässigkeit umzubiegen. »Oben auf der Treppe, sagen Sie, Jack? Wie merkwürdig.« Und sie schaute mit Widerwillen auf die unteren Stufen, auf die ich gezeigt hatte, als könnte noch sichtbar sein, worüber ich sie informierte – aber ich informierte sie auch, daß ich es beseitigt hatte –, und am falschen Ort. »Wie leid mir das tut, Jack, daß Sie sich die Mühe machen mußten.«
    Ich achtete auf Wheeler, der die Augen weit und den Mund ein wenig geöffnet hatte, was Überraschung genug ausdrückte, um mit der Formel »sprachlos sein« in Verbindung gebracht zu werden. Oder es war eher eine Miene mangelnden Begreifens, als sei die gelegentliche Langsamkeit seiner Jahre dabei, meine Frage oder Nachricht mit Verwirrung und sogar unter Schwierigkeiten zu verarbeiten; so als würde er denken: ›Habe ich recht gehört, hat er Blut gesagt? War vielleicht seine Aussprache falsch oder hat er das wirklich gesagt, Blutfleck? Er ist zwar Ausländer, aber normalerweise ist sie bei ihm nicht falsch, außer bei extravaganten oder seltenen Wörtern, die er vielleicht nie gehört und nur geschrieben gesehen hat, aber in diesen Fällen ist er sich seiner Unsicherheit bewußt und zögert und fragt, bevor er sie ausspricht. Es wird an mir gelegen haben, ich habe nicht aufgepaßt und nicht verstanden.‹ Er schien etwas in der Art zu denken, aber er konnte es nicht denken, denn Frau Berry hatte sofort »A bloodstain?« wiederholt, und in bezug auf ihre Aussprache gab es keinen Zweifel.
    »Keine Sorge, Mrs. Berry, das war keine Mühe, ich war noch nicht müde«, antwortete ich ihr. »Ich vermag mir nur nicht zu erklären, woher er kommen konnte. Ich habe gedacht, er käme von mir, ich hätte mich unbemerkt irgendwo geschnitten, aber ich habe mich von oben bis unten abgetastet, und da war nichts. Sie haben also keine Ahnung?« beharrte ich mit leicht schüchterner Stimme.
    Frau Berry schaute Wheeler an, ratlos, so als fragte auch sie ihn mit den Augen, oder vielleicht war er ratsuchend, der Blick, so dachte ich, oder gar voll Sorge um mich, der behauptete, mitten in der Nacht einen unwahrscheinlichen, merkwürdigen Fleck entfernt zu haben. Aber Peter schwieg unverändert, weit offen seine metallischen oder

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