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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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rief ich Luisa an, obwohl die Frage nicht gerade schicklich und sogar absonderlich war. Einer Schwester gegenüber ist es peinlicher, diese Dinge anzusprechen: auch wenn sie die erste Braut ist, ist sie es doch, wenn es noch kein Blut gibt, ist sie Kind-Frau nur. Ich rief Luisa an und erreichte sie zu Hause, es gab keinen Grund für meine Nervosität; sie klang ein wenig überrascht (es war weder Donnerstag noch Sonntag), aber nicht unangenehm berührt. Ich erkundigte mich routinegemäß nach den Kindern, nach deren Gesundheit und nach ihrer, und rechtfertigte mich sogleich: »Ich rufe an, um dich um Rat zu fragen«, sagte ich. »Ja«, antwortete sie bereitwillig. Und so fragte ich sie nach einer Einleitung und zwei Entschuldigungen, ob es möglich ist, daß einer Frau ohne untere Unterwäsche, bei der unvermutet die Regel eintritt, ein Blutstropfen herunterfallen kann, während sie steht oder geht (»Ja, ich weiß nicht, oder wenn sie eine Treppe hinaufgeht«, fügte ich zum Schluß ohne Not hinzu, um das absurde Bild abzurunden). Es folgte ein kurzes Schweigen, das mich fürchten ließ, sie werde ohne Umstände auflegen oder mir vorschlagen, nach meinem irgendwo verlorenen Verstand zu suchen, aber was dann kam, war ein lautes, herzliches Lachen, ich kannte es gut, dieses Lachen, das amüsierte, das gutgelaunte, das unvermeidlich von ihr kam, wenn sie etwas wirklich komisch fand. In diesem Augenblick sah ich ganz deutlich ihr Gesicht und wie sympathisch dieses Gesicht war (ich sah es mit den Augen des Geistes, dort in London, oder aber mit denen der Erinnerung, durch mein Fenster).
    »Aber was ist denn das für eine Frage«, sagte sie, noch immer lachend. »Schreibst du einen Roman oder was, eine Werbeanzeige für Damenbinden? Oder hast du jetzt Umgang mit Schlampen? Ich hoffe nicht, man müßte schon ziemlich schlampig sein, damit einem passiert, was du sagst.« Und wieder waren ihre freundlichen Laute zu hören.
    Ich hatte Zeit genug für den Gedanken, daß sie vielleicht deshalb vergnügt war, weil sie meine Stimme außerhalb der vereinbarten Zeit hörte, oder weil die Gestalt, die mich ersetzen würde, jetzt in allen Umrissen für sie erkennbar war – der mitfühlende Schmeichler, der sich drinnen einnistet, der verantwortungslose Nachtschwärmer, der draußen bleibt, der argwöhnische Despot, der sie am Ende einsperrt; ich zog den zweiten vor, hypothetisch, trotz des hohlen Kopfes; aber meine Meinung würde nicht eingeholt werden, das war sicher. Ich fragte sie nie danach, so wie auch sie sich nicht nach meinen Abenteuern erkundigte, nur einmal hatte sie zu mir gesagt: »Ich hoffe, du bist nicht zu allein da in London«, und das war keine richtige Frage. »Nur im zu erwartenden Ausmaß«, hatte ich sogleich geantwortet, ohne ja oder nein zu sagen, in jedem Fall, um die Sache zu entdramatisieren. Und ich hatte Zeit genug für den Gedanken, daß sie vielleicht deshalb in dieser Weise von »Schlampen« sprach, weil sie gerne wissen wollte, ob ich mit Frauen einen so intimen Umgang hatte, daß sie sich in meiner Gegenwart ohne Slip bewegten (was natürlich immer mit meiner völligen Unkenntnis möglich war). Und das konnte wiederum bedeuten, daß die Tatsache ihr nicht gleichgültig war und sie vielleicht ein wenig schmerzte, oder aber daß es ihr egal war und sie deshalb die Frauen so ungezwungen erwähnte, vielleicht, um mich zu ermuntern, sie zu frequentieren oder zu rekrutieren, und ihnen nicht zu entsagen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie mich jetzt sah, ob sie für mich bloße gedämpfte Zuneigung empfand oder noch Stürme in sich trug, welchen Platz sie mir zuwies, ob sie noch immer darauf wartete, daß mein Geruch ganz verflog und ich mich in ein Gespenst verwandelte (in ein verträgliches oder eines von denen, die weder feindlich gesonnen noch unverschämt sind und bereit, ihre Runden nicht zu oft zu drehen), oder ob der Prozeß schon abgeschlossen war und meine Laken zerrissen, um Streifen oder Tücher daraus zu machen. In Wirklichkeit wissen wir fast nie etwas von dem, was uns direkt betrifft, so sehr wir auch deuten und vermuten, und ich tat das pausenlos, vielleicht vergeudete ich meine Tage in dem namenlosen Gebäude, ich glaubte, dort zu etwas beizutragen, und betrog, ohne es zu wollen: vielleicht arbeitete ich im Leeren. Und dann hatte ich außerdem – kurzum – Angst gehabt, Angst vor Tupra und Angst, in seinen Augen zu versagen, und Mißtrauen mir selbst gegenüber, auch das

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