Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
resignieren mußte. Ich ging das Treppenstück hinunter, ließ Frau Berry vorbeigehen, wir folgten ihm, ich fügte nur noch eines hinzu:
»Ich mußte eine Menge Watte verbrauchen, um den Fleck zu entfernen. Es wird nicht mehr viel dasein, besser, Sie kaufen bald welche nach. Und auch Alkohol.« Das sagte ich. Es schien mir richtig, ihnen Bescheid zu sagen. Sie sollten nicht glauben, daß selbst das Einbildungen waren oder ich es ebenfalls erfunden hatte.
J etzt sah ich eine andere Möglichkeit, jetzt fiel mir eine andere ein, als ich aus der Damentoilette kam oder vielmehr später, in derselben Nacht, aber Stunden später, als ich Schlaf zu finden versuchte und es mir nicht gelang, es war allenfalls ein denkender Halbschlaf, in dem ich dachte, wieviel sich mir erschlossen und ich aufgeschoben hatte im Lauf der Ereignisse. Es muß eher dann gewesen sein, denn ich hatte es eilig, und mein Blick war nur nach außen scharf eingestellt, als ich aus der Toilette kam, wo ich jedoch zweifellos auf den Gedanken gekommen war, diese Idee dürfte weder Wheeler noch Frau Berry jemals durch den Kopf gegangen sein, tatsächlich war sie erst in dem Augenblick durch meinen gegangen, da ich die Frau mit den vollen Schenkeln auf der Klobrille sitzen sah, nein, das läßt an Beleibtheit denken, und die gab es nicht, wie soll ich sagen, es ging um etwas Imposantes, Gewichtiges, um Präsenz. Um einen Appell. ›Eine Frau trägt keinen Slip‹, dachte ich; ›auch wenn sie Strümpfe trägt, können es welche sein, wie sie heute verkauft werden, sie reichen bis zur Mitte der Oberschenkel, wie früher, und werden von einem Gummizug gehalten anstelle der alten Strumpfbänder, als deren reizlose Imitation, solche trug die baldige Erbin und Ehefrau, die eines nachts bis zum Frühstück bei mir geblieben war und deren Handy eine Obsession oder ein Kriegsziel war für ihren Noch-nicht-Ehemann, wenn auch Schon-Gehörnten, oder zumindest trug sie diese Strümpfe das eine Mal, da ich sah, wie sie sie auszog oder ich selbst sie ihr auszog, das Geschehen ist mir nur noch dunkel in Erinnerung.‹ Das ging mir durch den Kopf und daran dachte ich, als ich im Bett lag, wenig daran interessiert, mich zu erinnern, es war völlig unfreiwillig. ›Eine Frau trägt keinen Slip bei Wheelers kaltem Abendessen, einige halten es für schick, auf dieses Kleidungsstück zu verzichten, um sich sehr drastisch und radikal zu fühlen, oder sie tun es gelegentlich und in provokanter Weise, um das Risiko einzugehen, gesehen zu werden, wenn sie einen halblangen oder kurzen Rock tragen und es viele Zeugen gibt (ein Treffen, ein Bankett, eine Premiere, eine Vorlesung, wenn sie Studentinnen sind, und der männliche Professor steht immer vor ihnen), oder um einen Ehemann zu ärgern, den sie auf dem Weg zum Fest über das intime Detail informieren und der deshalb beunruhigt ist, oder damit ein flüchtiges, primäres Begehren aufkeimt, wo es keines gab und vielleicht keines geben würde – ein Aufscheinen, ein Blitz –, und sich dann in ein dauerhaftes, verfeinertes verwandeln kann – eine Verdichtung, eine Steigerung –, nicht wenige haben das aus jenem berühmten Film mit der Schauspielerin Sharon Stone und dem hexengesichtigen Sohn von Douglas gelernt.
Diese Frau geht in das Badezimmer im zweiten Stock hinauf, das untere ist besetzt, oder vielleicht geht sie auf der Suche nach einem leeren Zimmer hinauf, in dem sie schon jemand erwartet oder das dieser Jemand eine Minute später aufsucht oder auch nicht, eine verabredete, aber mühsame und rasche Begegnung, was man in meiner Sprache deutlich und vulgär einen mete y saca und im Englischen einen quicky nennt (in Wahrheit sehr vulgär: gleichviel, das Denken ist vulgärer als das Sprechen, oder das gilt für alle, die wir dazu neigen, verbale Vulgarität zu vermeiden, damit sie Sinn hat, wenn wir uns zu ihr hinreißen lassen), bei diesen Abenteuern ist das Fehlen von Slips höchst passend, obwohl sie auch nicht gerade ein Hindernis sind, es genügt, sie mit zwei Fingern und Zartgefühl – nur nichts zwicken – bis zur passenden Höhe abzustreifen. Diese Frau im Rock geht hinauf, ihre hohen Absätze klappern auf dem Holzboden oder klappern nicht auf dem von Teppich bedeckten Teil, und sie hat das Pech – oder es ist schlimmer für den Gastgeber, wie man’s nimmt, oder für einen Gast mit besserem Blick als die anderen –, daß sie in genau diesem Augenblick, als sie oben ankommt und kurz stehenbleibt und mit
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