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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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dem Blick die richtige oder die vereinbarte Tür sucht, die Regel bekommt – die sie zweifellos schon erahnt hat, aber nicht sehr oder nicht genug –, in Form eines Tropfens, der zu Boden fällt, da es keinerlei Stoff gibt, um ihn aufzufangen; aber die Sache ist noch am Anfang, und es ist nur ein Tropfen, der erste, ein einziger, es gibt keine Tropfspur, denn es ist kein Fluß und geht nicht sogleich weiter, und so kann sie den Beginn der Regel erst ein wenig später bemerken, als sie schon in das Badezimmer gegangen ist und provisorisch Abhilfe schaffen kann, oder als der Mann, der auf sie wartete, diese andere oder wärmere Feuchtigkeit bemerkt und sich schon befleckt hat, der Fleck dort auf dem Holz bleibt unbemerkt, und deshalb wird er erst tief in der Nacht entfernt, als ich hinaufgehe, um ein Buch zu suchen, und ihn beim Hinuntergehen entdecke, sehe und denke, daß ich ihn nicht dort lassen darf, nun, da ich weiß, daß er existiert: es ist an mir, an mir, ihn zu entfernen, andernfalls könnte Wheeler am Morgen auf ihm ausrutschen – obwohl er bis dahin getrocknet wäre –, und wir können nicht zulassen, daß er in seinem Alter stürzt, es ist besser, ihm jedes Risiko zu ersparen und ihn zu retten.‹
    Mein ehemaliger Schulfreund Comendador hatte rascher als ich an die Möglichkeit der Menstruation gedacht, aber er hatte eine junge Frau vor sich, als er das Blut sah, und auch winzige rote Tropfen auf ihrem Hemd ausgemacht und einen größeren auf ihrem Laken, es war leichter für ihn, auf diesen Gedanken zu kommen, und außerdem würden wir nie wissen, er mit Sicherheit nicht und ich höchstwahrscheinlich nicht, ob das die richtige Erklärung für unsere jeweiligen Flecken war, bestimmt wäre sie es für die beiden der Frau in der Toilette – Fliese und weißer Schuh –, die so lässig reagiert hatte. Aber wer konnte das wissen.
    Plötzlich ertappte ich mich dabei, daß ich mich zu erinnern suchte, welche Frauen bei Wheelers Abendessen einen Rock getragen hatten (auch das war halb unfreiwillig, oder vielleicht ist es so, daß Aufzählungen immer den Halbschlaf herbeirufen): natürlich Beryl, obendrein einen ziemlich spektakulären; außerdem war es gut möglich, daß sie auf das intime Kleidungsstück verzichtet hatte, nach der Gier zu urteilen, mit der De la Garza einen Blick zu erhaschen suchte, wozu er sich auf einen sehr niedrigen Puff gesetzt hatte, auf gleicher Höhe oder fast ihrer langen Beine (Schenkel, auf denen man Schlitten fahren konnte, hatte der Schwachkopf gesagt); und es paßte auch zu ihr, daß sie Tupra mit dieser frechen Geste ärgern wollte (sie hätte es ihm sicher erst kurz vor Oxford, im Auto, gesagt) oder den Versuch unternahm, ihn trotz seiner offensichtlichen Sprödigkeit erneut zu verführen, auf eine elementare, plumpe Weise, fast ohne gegenseitige Berührung und aus relativer Entfernung, ohne persönliche, psychologische, gefühlsmäßige, biographische Anstrengung, nur mit animalischer, was soviel heißt wie ohne jede Anstrengung. Einen Rock trug auch Frau Fahy, Ehefrau des einschläfernden irischen Historikers Professor Fahy, ebenso wie die unselige Labour-Bürgermeisterin (durch Heirat) der elenden Ortschaften Eynsham oder Ewelme oder Bruern oder Rycote oder vielleicht derjenigen mit dem schlimmsten Ruf in Oxfordshire seit der fernen Zeit des Dichters Marlowe, Hog’s Norton; doch beide Damen hatten die Zeit für das reguläre Eintreten schon lange überschritten, wie auch Frau Berry selbst, die deutlich jünger war als Wheeler, aber doch nicht vier Jahrzehnte, nicht einmal drei oder zweieinhalb, tatsächlich schämte ich mich sofort, mir sie oder die anderen (vor allem sie, ich kannte und achtete sie seit ewigen Zeiten, schon als sie im Dienst von Toby Rylands stand) in ihrem Alter in einer derartigen Situation vorzustellen, ich meine in Gesellschaft und ohne Unterwäsche, die Vorstellung erzeugte starke Abwehr in mir, vor allem, weil sie respektlos war, und eine Spur hypothetisches Mitleid, ich verübelte mir mein Sinnieren. Was die Dekanin von York betraf, die De la Garza in plumpen Taumel versetzt hatte (»Wahnsinn, Wahnsinn, diese Tussi ist bombig«, hatte dieser völlig abnorme Typ gesagt), so war es riskant, sich in bezug auf den gegenwärtigen Einfluß des Mondes auf ihren Körper festzulegen, Witwenschaft verwischt das Alter und täuscht nicht wenig, sie macht die sehr jungen älter und verjüngt die schon verblühten; auch sie trug einen Rock, und ich

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