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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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(ich hatte alles erst vor zwei Nächten entdeckt, in der Nacht mit den Manoias). Sie bezahlten mich dafür, daß ich Wetten einging in bezug auf das künftige Verhalten der Menschen und ihre Möglichkeiten, und ich sah nicht einmal das Gesicht – das von heute, das von morgen; ich sah nur das von gestern, mit geistigem und blindem Auge – des Menschen, den ich am besten kannte, ich hatte etliche Jahre mit Luisa zusammengelebt, und meine Kinder verhalfen mir zu weiteren ergänzenden Anhaltspunkten, sie lebte in ihnen fort, und die Kinder sind transparent, solange sie noch unsere Kinder sind, später panzern sie sich oder fliehen oder hüllen sich in ihre Nebel. Jetzt wußte ich nicht einmal, welche Frisur sie, Luisa, trug (und es sagt so viel über die Frauen aus, wie sie das Haar tragen oder es sich schneiden lassen), und konnte nicht einmal mich selbst sehen; aber das war nicht so wichtig, denn letztlich stimmte, was unter meinem Namen in jenem Text gestanden hatte, den ich halb im Verborgenen in der Kartei gelesen hatte: das hatte mich niemals interessiert oder mir die geringsten Sorgen gemacht. Ein wenig würdiges Rätsel, ein Zeitverlust.
    Ich konnte nicht vermeiden, in ihr Lachen einzufallen, ich wollte es auch nicht, ganz im Gegenteil: ich hatte es vermißt und nutzte die Gelegenheit, sie hatte es mir seit langem entzogen, aber früher hatten wir uns gegenseitig damit angesteckt, oder nicht einmal das, gewöhnlich erfaßte es uns fast gleichzeitig, ihr Lachen mit mir war eines, das man nicht erzwingen kann und dem kein Entschluß oder Kalkül vorausgeht, auch meines mit ihr, obwohl ich dieses Mal mit Verspätung einstimmte, ich war es nicht mehr gewohnt, und ich selbst hatte die komische Seite meiner Frage zuvor nicht sehen können, vermutlich war ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt, besonders in jenen Tagen, die auf die Nacht der neuen Angst und des nicht so neuen Mißtrauens folgten; aber sie hatte sie sofort oder fast sofort komisch gefunden, nach ein paar Sekunden Verblüffung, in denen sie nicht glauben konnte, daß ich sie wegen einer solchen Frage anrief. ( »Che vanto ridere insieme«, pflegte eine alte und nicht kurzlebige Flamme aus Italien, aus meiner schon fernen Vergangenheit, auszurufen, ihr verdankte ich zum großen Teil meine Kenntnis des Italienischen. Ich weiß nicht, wie man das in meiner Sprache sagen würde: »Die pure Seligkeit, zusammen zu lachen« oder vielleicht »Eine stolze Leistung«.)
    »Sei nicht albern«, sagte ich, »du bist vielleicht albern«, und während ich das sagte, lachten wir gemeinsam, und ich fühlte so etwas wie vanto . »Nein, ich bin noch nicht so verblödet, daß ich mich der Werbung widmen oder wie alle Welt anfangen würde, Romane zu schreiben. Obwohl, letztlich könnte alles passieren, ich schließe im Leben keinen Schwachsinn mehr aus. Aber was bist du albern, die Jahre vergehen, und es ist unglaublich, wie albern du noch immer bist.«
    »Na, dann sag mir doch, was diese so natürliche, so normale Frage soll. Also gut, meine Kollegen stellen sie mir auch jeden Tag.« Und noch immer lachte sie oder lachten wir beide unverstellt, es gibt nichts Besseres als dieses leichte wechselseitige, nie kränkende, sondern vergnügliche Auf-den-Arm-Nehmen, um Zuneigung zu zeigen, ich meine die einleitende, wenn wir zusammen waren und nach drei Sätzen oder vier uns berühren, uns küssen oder im Liegen und sehr wach umarmen konnten. Aber jetzt hätten wir das nicht gewollt, wenn wir uns mit den Augen des Körpers gesehen hätten. »Was ist, jemand hat dir den Fußboden ruiniert? Ich glaube es nicht.«
    Ich hörte endlich zu lachen auf, einen kurzen Augenblick.
    »Nein, es war nicht mein Fußboden. Es war der von Wheeler. Aber es würde lange dauern, das jetzt zu erzählen. Sag mir, ist es möglich oder nicht, daß das passiert?«
    »Der von Peter? In seinem Alter? Ich werde mit ihm schimpfen müssen. Ich verstehe ja alle Lockungen, aber ich glaube nicht, daß so was gut für ihn ist. Wieso hindert Frau Berry ihn nicht daran, wieso verscheucht sie diese Ferkel nicht?« Und wieder ließ sie ein lautes Lachen vom Stapel, kein Zweifel, sie war guter Dinge. Das gefiel mir und gefiel mir nicht, es konnte an mir liegen oder an irgendeinem anderen Menschen, der vielleicht gerade gegangen war oder gleich kommen würde, oder sie war im Begriff zu gehen, um ihn zu treffen, oder er war bereits da, bei mir zu Hause, und hörte das Gespräch und wartete ungeduldig darauf, daß sie

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