Dein goettliches Herz entflammt
zu stark geworden war, waren wir auf den Bürgersteig gerannt und hatten einen kleinen Buchladen gefunden, an den ein Café angeschlossen war.
Sebastian sprach leise. Sein Gesicht war blass und die grauen, silbern schimmernden Augen bildeten einen starken Kontrast zu seinen nassen schwarzen Haaren und seinen dunkelroten Lippen. Ich hätte ihn für immer und ewig ansehen können, doch das durfte er nie, wirklich nie erfahren.
»In der Stadt und den Vororten leben noch andere Wesen«, redete er weiter. »Die Novem bieten allem und jedem Zuflucht, solange man ihren Gesetzen folgt und sich unauffällig verhält. Aber nicht alle, die hier leben, sind anders. Es gibt auch ganz normale Leute hier.«
Ich hielt mich an dem heißen Becher fest. Mein Magen verkrampfte sich. »Deine Mutter war also…«
»Ein Vampir!«, antwortete er mit einem Lachen, das sich anhörte, als würde er es selbst nicht glauben. »Ja. Und Josephines einzige Tochter.«
»Ich dachte immer, Vampire werden gemacht, nicht geboren. Und dass sie keine Kinder bekommen können.«
»Das glauben die meisten.« Er lächelte und zuckte leicht mit den Schultern. »Wir sehen nicht unbedingt eine Notwendigkeit, die Außenwelt aufzuklären. Eigentlich ist es ganz einfach. Wir sind keine eigene Spezies oder so; wir haben uns nur vor langer Zeit von der Evolutionslinie der Menschen abgespalten und uns anders entwickelt. Du wärst überrascht, wie viele Abspaltungen es noch gibt. Vampire können gemacht oder geboren werden. Die Gemachten werden die Verwandelten genannt – im Grunde genommen sind das Menschen, die sich in Vampire verwandelt haben.«
»Und die Kinder?«
»Kinder sind ziemlich selten. Für Vampire ist es nicht einfach, Kinder zu bekommen, aber manchmal passiert es eben doch. Die Kinder werden ganz normal groß, doch wenn sie erwachsen sind, hören ihre Körper auf zu altern. Daher sehen die meisten geborenen Vampire wie Anfang zwanzig aus.« Er wollte noch etwas sagen, zögerte dann aber und schüttelte den Kopf. »Bist du sicher, dass du das alles wissen willst?«
»Ja. Ich finde das sehr interessant.« Ich lachte leise. »Auch wenn es mich umhaut.«
»Sei froh, dass du nicht in Mr Frys Klasse für Molekularbiologie bist, in der sämtliche Menschen und Doués erklärt werden, in allen Einzelheiten, bis hin zu ihrem Chromosomensatz.«
»Zum Einschlafen?«
»Ja.« Er verstummte.
Ich biss mir auf die Lippe und dachte kurz über das nach, was Sebastian gerade gesagt hatte. »Aber du bist nur zur Hälfte Vampir?«
Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Ich erzähle dir die Kurzversion. Es gibt reinblütige Kinder, die Blutgeborene genannt werden. Sie sind so etwas wie der Vampiradel, sie sind am mächtigsten und nerven ohne Ende. Wir reden hier über Egos von der Größe des Mount Everests. Die Kinder eines Menschen und eines Vampirs werden Taggeborene genannt. Sie haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten, unterschiedliche Stärken und Schwächen. Im Gegensatz zu den Blutgeborenen brauchen Taggeborene kein Blut, um zu überleben. Aber an der Schwelle zum Erwachsensein gibt es eine Zeit, in der das Verlangen nach Blut übermächtig wird. Wenn sie dann Blut trinken«, fügte er mit einem Schulterzucken hinzu, »brauchen sie es von da an, wie ein Blutgeborener.«
»Und was passiert normalerweise? Ich meine, trinken sie Blut?«
Sebastian nickte. Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich, als er leise weitersprach. »Ein Vampir kann Blut nur sehr schwer widerstehen, egal, wie er geboren wurde.«
Sein Geständnis hing wie ein Betonklotz zwischen uns. Ich räusperte mich. »Und du bist also ein Taggeborener?«
Er wich meinem Blick aus. Sein Adamsapfel bewegte sich, als er schluckte. »Nein. Meine andere Hälfte ist Lamarliere. Also auch nicht ganz menschlich. Die DNA von Hexen ist leicht anders, so wie bei Vampiren und Gestaltwandlern, aber in der Regel vererben sie ihre Fähigkeiten über die Mutter, also über die weibliche Linie der Familie.«
»Und was macht das dann aus dir?«
»Missgeburt beschreibt es, glaube ich, ganz gut.«
»Das geht nicht«, gab ich lächelnd zurück. »Das bin ich schon.«
Er senkte den Kopf, als würde er sämtliche Ansprüche auf diese Beschreibung freiwillig aufgeben. »Jetzt mal im Ernst. Als ich klein war, hat mich mein Vater einmal in eine geheime Bibliothek in der Presbytère geschmuggelt, die für die Schüler verboten ist. Dort gibt es ein paar richtig alte Sachen. Er nahm
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