Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein goettliches Herz entflammt

Dein goettliches Herz entflammt

Titel: Dein goettliches Herz entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Keaton
Vom Netzwerk:
vier Häuserblocks von der First Street entfernt. Die anbrechende Dämmerung hatte den tintenschwarzen Himmel in ein trübes Violett verfärbt. Es war schon so hell, dass man etwas erkennen konnte, was aber auch bedeutete, dass Schatten an dunklen Orten lauerten und die langen, silbern glänzenden Flechten, die von den Eichen und Zypressen vor und auf dem Friedhof herabhingen, aufleuchteten. Durch den hohen, schmiedeeisernen Zaun konnte man die Grabmäler erkennen, die wie graue Geister aus der weichen Erde ragten. Das Tor quietschte laut, als Henri es aufstieß. Ein Geräusch, das mein Herz schneller klopfen ließ.
    Der Geruch von nassem Stein und Morast lag schwer in der taufeuchten Luft, was mich an das Herrenhaus am Mississippi erinnerte. Blätter und Abfall bedeckten den Boden am Haupttor. Der eiserne Bogen war von buschigen Kletterpflanzen überwuchert. Ich duckte mich unter den Ranken und betrat einen Pfad, der früher ein gepflasterter Weg gewesen, jetzt jedoch voller Risse und mit Moos und Unkraut bewachsen war.
    Unsere Schritte waren das einzig hörbare Geräusch, das die Ruhe des Friedhofs störte. Auf beiden Seiten des Wegs standen lange Reihen mit Grabmälern aus Marmor und Stein, die aussahen wie kleine Kirchen.
    Die Zeit und die Hurrikans hatten ihre Spuren hinterlassen und den Stein verfärbt oder zerstört. Überall lagen Marmorstücke herum. Einige der Grabmäler waren bei der Überschwemmung angehoben und als hoher Trümmerhaufen gegen den Zaun gespült worden. Zwischen Geröll, Schlingpflanzen und Blättern lagen ungeschützt menschliche Knochen und Begräbnisutensilien herum.
    Ich starrte auf Sebastians Rücken und fragte mich, was ihm so wichtig gewesen war, dass er dafür an einen Ort wie diesen gekommen war und Alice Cromley gesucht hatte.
    Am Ende einer langen Reihe von Grabmälern blieb Henri stehen. Sebastian ging an ihm vorbei und bog in einen anderen Weg, der ebenfalls von Grabmälern gesäumt war. Das Licht war jetzt hell genug, um kleine Details auf dem Boden erkennen zu können. Ich stolperte, weil ich einen zerbrochenen Schädel unter einer Marmorplatte gesehen hatte.
    Dub schob mich über einen kleinen Geröllhaufen. »Mach dir nicht die Mühe.« Er war meinem Blick gefolgt, glaubte aber, dass ich nach etwas suchte. »Hier ist schon alles leer geräumt.«
    »Was meinst du damit?«
    »Na, du weißt schon. Das Zeug, mit dem sie begraben wurden. Ringe. Ketten. Erinnerungsstücke. In dem Grab da habe ich einen riesigen Rubin gefunden.«
    »Du hast ein Grab geplündert?« Ich wusste, dass Dub ein Grabräuber war. Sebastian hatte es mir gesagt, aber irgendwie hatte ich es immer noch nicht begriffen.
    »Na klar. Die Toten brauchen die Sachen ja nicht mehr. Wo, glaubst du, haben wir das Zeug von gestern Abend her? Wir verkaufen es an Spits, er verkauft es an die Antiquitätenläden und die verkaufen es an die Touristen.«
    Die Vorstellung, dass ahnungslose Touristen mit dem Schmuck von Toten in der Gegend herumliefen, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich musste an den Totenschädel denken, der in dem Schlafzimmer, in dem ich übernachtet hatte, auf dem Frisiertisch lag. »Bitte sag mir, dass der Schädel in dem Schlafzimmer oben nicht echt ist.«
    Crank drehte sich zu mir um und lachte. Ihre geflochtenen Rattenschwänzchen lugten unter der Schiebermütze hervor. »Das ist Eugene Hood vom Saint Louis No. 1.«
    Saint Louis No. 1 war ein Friedhof im French Quarter . Kein Wunder, dass der Totenschädel mich so aus der Fassung gebracht hatte – er war echt!
    Ich duckte mich unter einem Ast, der quer auf die Grabmäler gefallen war. Der Weg endete an dem hohen Eisenzaun, der den Friedhof umgab. Sebastian ging um ein Grabmal herum und folgte dem Zaun über den weichen Teppich aus Blättern und Gras, bis der Boden nachgab und matschig wurde und es immer stärker nach Sumpf roch.
    Aus dem schwarzen, brackigen Wasser vor uns ragten endlose Reihen von Grabmälern auf.
    Zu meiner Erleichterung bog Sebastian wieder ab. Ich atmete auf. Wenigstens mussten wir nicht zu dem, was vor uns im Wasser lag.
    Das glucksende Geräusch unserer Schritte wurde lauter. Meine Erleichterung war nur von kurzer Dauer, denn bei dem Gedanken daran, in leichenverseuchtem Schlamm zu versinken, drehte es mir den Magen um.
    »Hier ist es«, sagte Sebastian leise, der vor einem Grabmal stehen geblieben war. Ein paar Stufen führten zu einer fast zwei Meter hohen Tür aus Eisen, die rechts und links von Marmorurnen mit

Weitere Kostenlose Bücher