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Dein goettliches Herz entflammt

Dein goettliches Herz entflammt

Titel: Dein goettliches Herz entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Keaton
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gelungen war, den oberen Teil zur Seite zu schieben. Danach gingen wir an das andere Ende und drückten auch diesen Teil des Deckels weg, bis der Sarg fast zur Hälfte offen lag.
    Sebastian lehnte sich zurück. Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. »Das dürfte genügen.« Er wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß weg, bevor er aufstand, um die Kerze zu holen. Mit grimmigem Gesicht starrte er in den Sarg.
    Ich richtete mich auf den Knien auf, was genügte, um über den Rand des Sarges zu spähen und mir die letzte Ruhestätte der berüchtigten Alice Cromley anzusehen.
    Mir stockte der Atem. Meine Hände suchten nach etwas, an dem sie sich festhalten konnten, irgendetwas, das mich daran hinderte, nach hinten zu kippen. Ich klammerte mich an das untere Ende des roh behauenen Sarges.
    Im Innern lag eine völlig erhalten gebliebene, sehr schöne Kreolin.
    Alice Cromley.
    Ihr Kleid bestand nur noch aus Fetzen, doch Haut und Haare sahen aus, als wäre sie erst vor ein paar Stunden in den Sarkophag gelegt worden.
    »Das ist doch nicht möglich«, flüsterte ich.
    Ein leises Lachen sorgte dafür, dass ich mich von der makabren Szene losriss und umdrehte. Sebastian hatte eine seiner schwarzen Augenbrauen hochgezogen und grinste mich an. »Nach allem, was du hier gesehen hast? Vampire. Eine Göttin. Eine Harpyie.«
    »Was auch nicht möglich ist. Genau wie das hier.«
    Sebastians Lachen klang an diesem Ort irgendwie fehl am Platz. »Nicht in New 2. In New 2 ist alles möglich.«
    »Sogar der Sieg über eine griechische Göttin?«
    Sebastian zog den Reißverschluss seines Rucksacks auf. »Wir sollten uns beeilen. Die Sonne geht bald auf.« Er zog eine Gartenschere hervor.
    »Großer Gott.« Ich musste mich fast übergeben.
    »Dann werde wohl ich die Ehre haben.«
    Offenbar hatte er auch nichts anderes erwartet, denn er drehte sich schon zu dem Sarg hin. Er beugte sich hinein und hob Alice Cromleys nackten Fuß an. Mir fiel auf, dass ihr ein kleiner Zeh fehlte.
    Scheiße. Scheiße. Scheiße.
    Ich wandte mich ab und verzog das Gesicht. Als die Schere den Knochen durchtrennte, wurde das Geräusch von den Marmorwänden zurückgeworfen. Jeden Moment würden die Toten aufwachen. Sehr wütende Tote, die stinksauer waren, weil wir eine von ihnen geschändet hatten. Um ein Haar wäre ich aus dem Grabmal gerannt.
    »Schnell«, flüsterte Sebastian, während er sich mit dem Rücken an den Sarkophag lehnte und einen Mörser aus dem Rucksack zog. Er zog die Haut von dem Zehenknochen ab, schälte das Fleisch herunter und ließ ihn in den Mörser fallen. Dann nahm er den Stößel und begann, den Knochen zu zermahlen. Als er den Kopf hob, sah er, dass ich wie erstarrt dastand. »Willst du es nun wissen oder nicht?«
    Ich schluckte und verdrängte die Angst und die Panik, die meinen Körper lähmten. Alles in mir schrie Lauf weg. Lauf weg, weit weg von dieser düsteren, albtraumhaften Szene, und denk nie wieder daran, vergiss das alles. Stattdessen setzte ich mich steif auf den Boden, während Sebastian fortfuhr, das winzige Knochenstück zu zermahlen.
    Irgendwo in meinem Hinterkopf wusste ich, dass der Inhalt der Schale in meinem Körper landen würde. Doch ich dachte nicht darüber nach. Ich sah einfach nur zu, während ich alles andere in meinem Kopf ausblendete.

Siebzehn
    Nach einigen Minuten, die sich endlos in die Länge zogen, klopfte Sebastian mit dem Stößel auf den Rand des Mörsers. Ein winziger Schauer aus Knochenpulver regnete in die Schale. »Streck die Hand aus.«
    Meine Nasenflügel weiteten sich. Ich bewegte mich nicht. Ich konnte nicht. Mein Blick suchte Sebastian. Seine grauen Augen waren ausdruckslos. An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. Nur ein einziges Mal, doch ich sah es. Dann streckte er den Arm aus, packte meine Hand und kippte den Inhalt des Mörsers hinein.
    »Zuerst bin ich auch ausgeflippt«, sagte er leise. »Aber wenn es sein muss, würde ich es wieder tun. Es ist nur Knochen. Staub. Es schmeckt nach nichts. Als würde man Steinpulver einatmen.«
    »Steinpulver«, wiederholte ich. Steinpulver. Ich schaffe das. Ich bin stark. Ich schaffe alles. Alles.
    Ich konzentrierte mich auf das kleine Häufchen in meiner hohlen Hand, das gerade einmal die Größe eines 25-Cent-Stücks hatte. Steinpulver. Mit klopfendem Herzen hob ich die Hand, beugte mich vor und inhalierte das Pulver.
    Es schoss durch meine Nase und traf meine Kehle, körnig und… wie Stein, genau wie Sebastian gesagt hatte. Ich musste würgen.

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