Dein goettliches Herz entflammt
der Erleichterung. Sie ist endlich frei. Befreit von ihrem Fluch, befreit von ihrem Dasein als Monster. Sie heißt den Tod willkommen, während sie daran denkt, wie das Kind in ihren Armen gelegen hat.
»Ari!« Mein Hinterkopf rollte auf dem harten Boden hin und her. Hände gruben sich in meine Schultern. »Ari! Verdammt noch mal, atme!«
Sebastians Stimme. Sebastians Hände. Atmen. Warum? Mir ging es doch gut. Alles war gut. Einschläfernd und gut. Ich ließ mich wieder in die betäubende, warme Dunkelheit fallen, die ich so tröstlich fand.
Bis eine Faust auf meinen Brustkorb donnerte.
Scheiße!
Ich schlug die Augen auf. Mit einem Ruck setzte ich mich auf, den Mund offen, die Augen weit aufgerissen, ohne etwas zu sehen. Meine Lungen brannten. Die Schmerzen in meiner Brust waren brutal. Mein Mund schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich war am Ersticken. Der Nebel vor meinen Augen verschwand und plötzlich wurde mir klar, dass ich Luft holen musste, dass ich atmen musste.
Großer Gott, ich musste atmen!
Ein heftiges Zucken ging durch meinen Körper, als mein Gehirn endlich das richtige Signal abfeuerte und ich lange und angestrengt Luft in meine Lungen sog. Mein Herz pumpte so heftig, dass ein Atemzug nicht reichte, bei Weitem nicht reichte.
Sebastian lehnte sich zurück und wischte sich mit der Hand über die Stirn. Dann nahm er meine Hand und sah mich erleichtert an.
Es dauerte lange, bis er sagte: »Du hast aufgehört zu atmen. Du warst so still, die ganze Zeit über. Du hast nicht einmal geblinzelt.«
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich hielt meine Tränen zurück und schluckte. »Bist du sicher?« Ich schnappte nach Luft, denn ich erinnerte mich ganz genau daran, dass ich geschrien, geweint und gestöhnt hatte.
Und ich erinnerte mich ganz genau an meine Vergangenheit. Nein, es war nicht meine Vergangenheit. Es war die grausame, traurige Vergangenheit meiner Vorfahrin. Es schnürte mir die Brust zu, als ich an die Verzweiflung dachte, die ich als meine Vorfahrin erlebt hatte. Ich ließ den Kopf in die Hände sinken.
»Du hast es gesehen.«
Ich hob den Kopf und sah Sebastian an, während meine Hände schlaff in meinen Schoß fielen. »Ja«, flüsterte ich mit rauer Stimme. »Ich habe es gesehen.« Er wartete, doch ich brachte es nicht über mich, ihm davon zu erzählen. »Könnten wir jetzt bitte gehen?«
Er sah mich lange an. Angst und Sorge lagen in seinem Blick, doch das war alles, nur ein kurzes Aufblitzen, bevor er den Kopf senkte und anfing, die Utensilien für das Ritual in seinen Rucksack zu packen.
Nachdem wir den schweren Deckel über Alice Cromleys unversehrte Leiche geschoben hatten, verließen wir das Grabmal.
Lange Streifen aus Violett und Orange zogen sich von Osten her über den dunklen Himmel und ließen den Friedhof in seiner ganzen morbiden Pracht erstrahlen. Der hohe Eisenzaun ragte wie Speerspitzen um ein Schlachtfeld auf, das aus den unbesiegten Grabmälern, den Ruinen und den moosbewachsenen, freigelegten Knochen bestand. Ich war immer noch etwas wacklig auf den Beinen und ging vorsichtig die verwitterten Stufen vor dem Grabmal hinunter, während mein Blick am Rücken der anderen hängen blieb. Merkwürdig. Eigentlich hatte ich vermutet, sie würden mir entgegensehen, weil sie wissen wollten, was passiert war.
Alle vier standen in einer Reihe. Schulter an Schulter. Keiner bewegte sich.
»Was ist denn?«, fragte ich langsam, während sich die Haare an meinen Armen aufstellten.
»Sch!« Henri bewegte leicht den Kopf, der einzige Hinweis darauf, dass er mich gehört hatte.
Ich wechselte einen schnellen, verwirrten Blick mit Sebastian, bevor ich ein paar Schritte weiterging, um nachzusehen, was die anderen so fasziniert anstarrten.
Der Schrei blieb mir im Hals stecken.
Nein.
Schlangen. Mindestens dreißig Stück. Sie waren am Rand des Sumpfes, an der Stelle, an der das Wasser auf festen Boden traf. Sie dümpelten im Wasser. Sie hatten sich hier versammelt, waren von etwas angezogen worden. Ihre Augen waren auf das Grabmal gerichtet. Auf mich. Sie sahen mich an.
Entsetzt wich ich zurück, stolperte und fiel rückwärts auf die Stufen des Grabmals. Ein heftiger Schmerz schoss durch meinen Rücken und die Ellbogen, als ich auf dem Marmor aufkam. Ein kurzer Blick hatte genügt, um das Bild vor meinen Augen für immer in mein Gehirn zu brennen. Angst packte mich, Angst, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte. Als ich mich aufrappeln wollte,
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