Dein Herzensprinz Prinzessin
Immerhin hat sie die Leute vorher gefragt, ob sie was dagegen haben, gefilmt zu werden. Sie legte die Kamera nicht einen Moment lang aus der Hand. Was sie mit dem Material wohl vorhat? Wahrscheinlich plant sie eine Doku über die abstoßenden Luxus-Eskapaden der Schickeria New Yorks mit dem Titel »Wahre Prinzessinnen der Neuzeit«, in der sie Szenen von meiner Party Bildern aus haitianischen Slums gegenüberstellt, wo die Leute Schlamm essen müssen. (Mentale Notiz an mich selbst: dringend einer Hilfsorganisation Geld spenden.
Jeden Tag verhungert auf der Welt eines von drei Kindern. Und Grandmère hat sich darüber aufgeregt, dass zu den Frühlingsrollen die falsche Soße gereicht wurde!)
Immerhin steckte Lilly die Kamera kurz weg, als sie mit Kenneth - und Michael - im Schlepptau auf mich zukam und sagte: »Hey Mia. Ziemlich coole Geburtstagsparty.«
Ich wäre fast an dem Krabbencocktail erstickt, von dem ich mir gerade eine Gabel in den Mund schob. Weil ich den ganzen Abend so damit beschäftigt gewesen war, zu tanzen und Leute zu begrüßen, war ich nicht dazu gekommen, auch nur einen einzigen Krümel zu mir zu nehmen. Deshalb war Tina mit einem kleinen Teller vom Buffet auf mich zugekommen und hatte gesagt: »Mia, du musst mal kurz Pause machen und was essen, sonst fällst du um...«
»Oh«, sagte ich nur mit vollem Mund zu Lilly (Grandmère hätte einen Herzinfarkt bekommen!). »Danke.«
Ich redete zwar mit Lilly, aber mein Blick glitt über sie hinweg und blieb an Michael hängen, der hinter Kenny (Kenneth, meine ich) stand. Er sah einfach so... unglaublich gut aus, wie er da mit der Skyline von Manhattan im Hintergrund vor mir stand. Auf dem schwarzen Stoff seines Smokings glitzerten winzige Wassertröpfchen von dem in der Luft hängenden Nebel und ließen seine Schultern noch breiter erscheinen …
Gott, ich bin ein Wrack! Ich verstehe es selbst nicht. Ich hab keine Ahnung, was mit mir los ist. Ich weiß, dass er mit mir Schluss gemacht hat. Dr. G. Stöhrt und ich haben dieses Thema während meiner Therapie ausgiebig durchgekaut. Ich habe einen neuen Freund, einen wunderbaren Freund, der mich liebt und der in diesem Moment gerade zur Bar gegangen war, um mir noch ein Mineralwasser zu holen. Das weiß ich alles.
Ich hab auch kein Problem damit, Michael anzusehen und zu registrieren, wie er mich anlächelt, und zu denken, dass
er mit Sicherheit einer der bestaussehenden Männer der Welt ist (auch wenn er - wie Lana bestimmt sagen würde - nicht Christian Bale ist).
Nein. Das, was mich so fertig macht, kam später.
»Wow«, sagte Michael. »Netter Partyhut, den du da aufhast, Thermopolis«, womit er das Diadem von Fürstin Amelie Virginie meinte.
»Oh.« Ich fasste mir automatisch an den Kopf. »Danke. Ich weiß gar nicht, ob ich mich freuen oder meinen Vater für verrückt erklären soll, weil er heute hergekommen ist, um es mir zu schenken. Er kann es sich eigentlich gar nicht leisten, in der heißen Phase des Wahlkampfs nicht in Genovia zu sein. In den Meinungsumfragen liegt mein Cousin René immer noch vorn.«
»René!« Michael sah geschockt aus. »Dieser unfähige Vollidiot. Wie kann man den Trottel nur gut finden?«
»Na ja, die Leute stehen eben auf frittierte Zwiebeln«, sagte Boris, der neben Tina stand.
»Bei Applebee’s gibt’s aber keine frittierten Zwiebeln«, knurrte ich. »Die gibt’s nur bei Outback.«
»Ich verstehe sowieso nicht, wieso dein Vater unbedingt Premierminister werden will«, sagte Kenneth. »Er bleibt doch Fürst von Genovia, oder? Warum ist er so heiß drauf, zu arbeiten? Er könnte die Politik doch anderen überlassen und sich auf die schönen Dinge des Lebens konzentrieren, mit seiner Jacht rumschippern und mit schönen Frauen flirten... zum Beispiel mit... das ist Ms Martinez, oder?«
Ich folgte Kenneths Blick.
Er hatte recht. Mein Vater tanzte eng umschlungen zu »Live to Tell« mit Ms Martinez, und die beiden sahen aus, als würden sie sich... extrem gut verstehen.
Aber, hey, kein Problem. Ich bin jetzt achtzehn und erwachsen, weshalb ich angesichts dieses Anblicks keinen Brechreiz verspürte, sondern mich seelenruhig wieder meinem
Gesprächspartner zuwandte und sagte: »Stimmt, Kenneth. Natürlich könnte mein Vater sich darauf beschränken, die repräsentativen Pflichten als Fürst wahrzunehmen und ansonsten ein angenehmes Leben führen. Aber er hat nun mal den Wunsch, die Zukunft seines Landes aktiv mitzugestalten, und das geht nur als Premierminister.
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